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Alt 26.12.2005, 13:04  
MadHatter
Cosmic Hobo
 
Registriert seit: 03/2004
Ort: Im Wunderland
Beiträge: 2.754
Zitat:
Zitat von Zebra
Einen Mißstand mit einem anderen zu rechtfertigen wäre nicht richtig, wohl wahr.
Nichtsdestotrotz ist es immer leicht, all jene Mißstände anzuklagen, zu deren Verursachung der Anklagende nicht beiträgt, sprich: deren Beseitigung diesem nicht wehtut.
Und ich blaibe dabei: Nahezu jedes Haustier wird mißbraucht und fast jedes Nutztier.
Wenn ich Schweine sehe, die sich in ihren Boxen nicht einmal umderehen können oder Hühner und Papageien, die teilweise federlos im Käfig hocken, Hunde, die von Artgenossen ferngehalten werden ... diese Tiere leiden.
Das kümmert kaum eine Sau.

Und wenn ich dagegen dann von einem Dackel höre, der von sich sein Frauchen leckt und der sich offenbar widerstandslos von diesem befriedigen lässt, dann finde ich eine Diskussion darüber, in welchem Maße dies dem Tier gegenüber Missbrauch und in wie weit dieser zu unterbinden ist, grotesk. Eine Luxusdiskussion.
Richtig, einen Misstand mit einem anderen zu rechtfertigen wäre ein Zirkelschluss. Für mich lesen sich darum deine Ausführungen eher wie Ausflüchte. Indem wir relativieren, schieben wir immer Verantwortung von uns weg, aber es wäre doch angebrachter, sich überall dort einzubringen, wo wir gefragt sind. Das Leid der Welt macht immer sprach- und handlungslos, aber wenn jeder mal bei sich selbst anfangen würde in seinem Lebensfenster ein paar Dinge zu verbessern -und mögen diese noch so klein und bedeutungslos sein-, so ginge es der gesamten Welt schlagartig besser.


Zitat:
Zitat von Zebra
Ersteinmal vorweg: Jeder hat andere moralische Maßstäbe.
Offenbar unterscheiden sich unsere Ansichten.
Das sehe ich auch so, aber da brauchen wir nicht stehen bleiben. Jetzt wäre es doch sinnvoll, Rechtfertigungsgründe für die moralische Entscheidung anzuführen, so dass wir voneinander lernen können, anstatt beispielsweise zu sagen: Wir haben unterschiedliche Ansichten. Punkt. Aus. Jeder schreibt seiner Wege.


Zitat:
Zitat von Zebra
Für mich ist wichtig: solange alle unmittelbar Betroffenen mit dem Zustand und dessen Folgen zufrieden oder besser noch glücklich sind, sehe ich gewöhnlich keinen Grund, von außen auf diese einzuwirken.
Scheinbar willst du die Dame vor sich selbst schützen. So verstehe ich dich.
Ich will und kann Menschen nicht vor sich selbst schützen. Was ich aber kann, ist mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und ihnen Anregungen geben, wie sie sich und ihre Lebenswirklichkeit neu entdecken können.
Die individuelle Glücklichkeitsethik, die ansprichst, muss ich ganz entschieden ablehnen. Über unsere Aidsberatungsstelle bin ich mit Leuten aus der SM-Szene in Kontakt gekommen und viele von ihnen wurden als Kinder geschlagen oder missbraucht. Im Ausleben ihrer Sexualität spielen sie die Gewalt und den Schmerz, der ihnen angetan wurde, immer wieder von neuem durch und finden dies auch noch erregend.
Ich erfuhr außerdem von sogenannten Barebacking-Partys, auf denen sich Homosexuelle ohne Verhütungsmittel zum Geschlechtsverkehr treffen. Den Teilnehmern ist es egal, ob sie angesteckt werden oder nicht, manche wollen es sogar; denn nichts macht sie glücklicher als der orgasmische Kick ohne Gummi zu f-i-c-k-e-n.
Das markiert das Problem: Der Mensch kann aus sich heraus treten, sich Gewalt antun, diese steigern bis zur Zerstörung, und es auch noch obergeil finden.

Wenn wir die Sexualität außerhalb eines personalen Verhältnisses anordnen, wird es nur auf den Orgasmus hinauslaufen und die entscheidende Frage wird sein, nicht wie ich auf meinen Partner Rücksicht nehme und mit ihm zusammen verantwortete Sexualität lebe, sondern wie ich mein orgastisches Gefühle in immer neue Höhen treibe, bis ich schließlich so weit bin, es auf Kosten von anderen auszuleben. Die Sexualität ist eine der stärksten Kräfte im Menschen und sie bedarf einer Einordnung in die eigene Lebensführung, sonst wird sie sich irgendwann lösen und selber die Kontrolle übernehmen.
Dies ist nicht als Forderung nach Blümchensex zu verstehen, sondern als Aufforderung zu einer verantworteten Stellungnahme zum eigenen sexuellen Handeln, das sich im Spannungsverhältnis zwischen Geben und Nehmen, zwischen Triebbefriedigung und Ausdruck einer übergeordneten Beziehung bewegt.
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