Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 08.11.2015, 11:13  
Someguy
 
Registriert seit: 03/2000
Ort: Am Rhing
Beiträge: 14.496
Ich habe mir drei Bücher der diesjährigen Nobelpreisträgerin für Literatur, der weissrussischen Journalistin und Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch durchgelesen. Die Authorin wendet in Ihren Werken die sog. "Oral-History-Methode" an, d.h. sie interviewt Zeitzeugen und fasst das zu einem Buch zusammen. Dabei wagte sie sich bereits zu Sowjetzeiten an solch sensible Themen wie den Zweiten Weltkrieg, den Afghanistankrieg, sowie die Tschernobyl-Katastrophe heran. Dafür wurde sie verfolgt und ihre Bücher wurden in der UDSSR verboten, weil Zeitzeugen im Schutze der Anonymität Geschichten erzählten, die sich so gar nicht mit dem deckten, was die Sowjetpropaganda versuchte, ihren Bürgern einzutrichtern.

Für mich als Ex-Sowjetbürger, der sich im Geschichtsunterricht in der (russischen) Schule jede Menge Propaganda anhören musste, war der Inhalt dieser Bücher von besonderem Interesse. Auch wenn ich zuvor bereits sehr viel zu diesen Themen gelesen, gesehen und teilweise von Familienangehörigen erfahren hatte, waren die Augenzeugenberichte so schockierend, dass ich den Horror der damaligen Ereignisse richtig spüren konnte. Seien es Erzählungen von Menschen, die den Krieg als Kind erlebt hatten, mit 18 in den Afghanistankrieg eingezogen wurden oder das Grauen des Tschernobyl-Unfalls und seiner Folgen mitbekamen. Es ist teilweise so grauenvoll, dass man sich beim Lesen bei dem Gedanken erwischt, wie glücklich man sich schätzen darf, so etwas nie erlebt zu haben.

Wenn man nicht nur an kalten Statistiken, sondern auch an Einzelschiksalen, die mit großen, nicht nur für Russland bedeutsamen Ereignissen des letzten Jahrhunderts verbunden sind, interessiert ist, kann ich die Bücher von Alexijewitsch nur empfehlen.
Someguy ist offline   Mit Zitat antworten