Alles auf Anfang77

Au Backe, bei dieser Eierei war ich wohl noch in den Ostertagen. Ne, Sonnentomate ist gerade nix gegen meine Gesichtsfarbe.

Wollte eigentlich sagen, dass sich beide Seiten - Iran und Israel - in puncto Volksverhetzung nix nehmen.

Sailcat

Ich habe immer ein Problem damit, wenn aufgrund von Kritik an Regierungen Anti-Semitismus oder Anti-Amerikanismus (usw.) als Gegenargument in die Runde geworfen wird.

M.E. darf und muß man Regierungen kritisieren, das bedeutet aber keinesfalls, daß man gleich gegen ein ganzes Volk ist.
Manchmal, nein oft sogar, habe ich den Eindruck, daß das großzügig übersehen wird.
Das mal als allgemeine Anmerkung.

Heute morgen habe ich im Radio verschiedene Pressestimmen zu dem Thema gehört. Ich konnte viele nachvollziehen, u.a., daß ein Land, das stolz auf seine Demokratie ist, Meinungsfreiheit zulassen muß. Das bezog sich auf das Einreiseverbot von Grass, der seines Zeichens kein Politiker sondern Schriftsteller ist.
Ich muß sagen, daß mich solche Maßnahmen dann doch irritieren. Grass bekommt dadurch wesentlich mehr Aufmerksamkeit als er (meiner Meinung nach) verdient hätte.

wikinger11

Kann Deutschland nicht ein Einreiseverbot gegen Grass verhängen ?

Freilich müsste er dann erstmal Ausreisen.

Dann könnte es ihm bald so ergehen, wie dem Menschen, der jahrelang auf dem Pariser Flughafen lebte, weil kein Staat ihn haben wollte.

Kalle_Blomquist

Grass führt sich aber als alter SPD-Wahlkämpfer wie ein "elder statesman" auf. Sozusagen als das "lebende gute Gewissen der SPD im Geist von Willy Brandt - oder was Grass dafür ausgibt). Offensichtlich braucht diese Partei solche Identifikationsfiguren, um die innere Einheit einigermaßen zu bewahren.

Das Einreiseverbot ist nur die Konsequenz aus dem Geschreibsel eines alten Mannes, der endlich mal wieder Schlagzeilen machen wollte. Der Staat Israel hat ein deutliches Zeichen gesetzt, daß er sich von niemand auf der Nase herumtanzen läßt. Und dies hat sogar eine Signalwirkung an den Iran.
Grass ist hier nur als Spielfigur zu betrachten.

Weh und Geh

Der "Staat Israel" - besser dessen innenpolitische Meinungsmacher - hat mit dem Einreiseverbot ein deutliches (und zudem dämliches) Zeichen gesetzt: wer nicht für uns, unserer Meinung ist, uns kritisiert, wird zensiert und darf nicht einreisen.

So einfach ist das. Basta. Das lässt tief blicken, finde ich.

Und völlig lächerlich deshalb, weil Herr Grass nach der Nummer wohl kaum auf die Idee kommen dürfte, jemals wieder einen Fuß freiwillig nach Israel zu setzen. Falls er es vorher jemals vorgehabt haben sollte...

Das ist - mit Verlaub - genau die Art von Reaktion eines Staates, der sich von allen Seiten umzingelt und bedroht fühlt und sich bis unter die Zähne bewaffnet hat - selbst wenn ein kleiner, peinlicher Gedichteschreiber aus Deutschland es wagt, Kritik anzumelden.

Das ist genau so übertrieben und lächerlich, wie die halbe, stets empörte, moralisch integere Journalisten und Kulturkritiker-Welt jetzt auf Grass einprügelt und ihm Antisemitismus unterstellt.

Das "Gedicht" ist arm. Die Reaktionen darauf werden auch immer peinlicher.

Kalle_Blomquist

Das ist genau die Art von Reaktion eines Staates, der von allen Seiten umzingelt und bedroht ist und sich bis unter die Zähne bewaffnen mußte - selbst wenn ein Literaturnobelpreisträger aus Deutschland es wagt, Kritik anzumelden.

Du unterschätzt die Macht des Wortes. Denk mal an Ayatollah Khomeini.

Weh und Geh

Und nur weil einem "Literaturnobelpreisträger" sein eigenes Ego quer liegt, macht Israel seine Grenzen für ihn dicht? Das ist lächerlich.

Weshalb denn machen sie das wohl? Da sind ganz andere innenpolitische Befindlichkeiten am Start, die aber auch rein gar nichts mehr mit Grass zu tun haben.

Aaaah. Nicht der auch noch.

Scuderia

Stimme Dir zu!

"Komisch" ist auch, dass es "in Ordnung" ist wenn Israel Krieg führt und Raketen, Bomben etc. gegen ein anderes Land richtet, denn wenn man Kritik üben würde, wäre man ja gleich ein Nazi!

Trimalchio

Hi Du,

was bist Du da hart.

Mir klingt das alles nach eher unsortierten politischen Gedanken in einem angeblichen Gedicht ohne jede sprachliche Brillanz. Wobei ich ja nicht einmal ein Fan seiner Blechtrommel war. Auch das Gedicht hier wird doch 3 Nummern zu hoch aufgehangen in seiner Bedeutung.

Wenn das mal ein bedeutender Politiker gesagt hätte! Oder irgend jemand, der sich mit tieferer Ahnung seit längerem um die Problematik gekümmert hätte. Vielleicht auch ein erster systematischer Entwurf mit durchgehender Arguemntationslinie wäre es wert gewesen, das breit zu diskutieren. All das kann ja wohl von Grass nicht gesagt werden.

Was bleibt, ist doch das Gefühl, dass in den Medien dem Thema mal mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Mich würde wirklich einmal interessieren, welche Chancen es für einen Frieden in der Region gibt. Welche Hoffnungen gibt es, dass die Hardliner auf beiden Seiten zusammenfinden und sich anschließend an Friedensverträge halten? Was ist mit der Vertrags(t)reue Israels? Warum haben die sich an Verträge nicht gehalten (Siedlungspolitik)? Warum haben die auch einmal bei einem Einmarsch in den Libanon einen Soldaten der UN-Friedenstruppen erschossen? Kritik ist auch - aber freilich nicht nur - an Israel leider berechtigt.

Moneybrother

Das ist schlicht und ergreifend nicht richtig. Wer bitte sagt denn, dass man es in Ordnung finden muss, wenn Israel Krieg führt? Wer sagt denn, dass man Israel dafür nicht kritisieren darf? Wer sagt denn, dass man für solch eine Kritik als Nazi abgestempelt wird? Dieses Argument bekomme ich einfach nicht in meinen Kopf.

Die ältere Generation in Deutschland hat tatsächlich ein ziemlich dickes angebliches Tabu im Kopf, wonach man Israel nicht kritisieren darf. Da stellt sich mir die Frage, wer dieses Tabu auferlegt hat? Da kommen wir leider nicht aus den Köpfen der älteren Generation heraus, sie haben sich dieses Tabu selbst auferlegt. Man könnte es auch ganz einfach ein schlechtes Gewissen nennen, was sich da offensichtlich noch immer bemerkbar macht. Teilweise haben die Älteren dieses schlechte Gewissen auch noch weitergegeben an die folgenden Generationen. Ein schlechtes Gewissen sorgt grundsätzlich für schlechte Stimmung, Aggressionen und Wut. Wut auf die, die an das schlechte Gewissen erinnern und das sind nun einmal die Juden, bzw. der einzige jüdische Staat auf der Erde, nämlich Israel.

In Deutschland gelten Holocaust-Gedenktage vor allem als Pflichtaufgabe, Gedenksteine werden als Kranzabwurfplätze bezeichnet. Das Gedenken ist kein Anliegen, sondern eine Pflicht, ein Teil der "Wiedergutmachung". Wenn man nur ordentlich und pflichtgemäß gedenkt, muss doch irgendwann wieder gut sein. Das scheint mir zumindest der Gedanke dahinter zu sein. Nur wird es nicht gut. Der Holocaust hat immer noch stattgefunden, die Großeltern waren immer noch Täter oder Mitläufer und der jüdische Staat ist immer noch da. Grass und viele seiner Altersgenossen können Israel nicht ohne die deutsche Schuld und die Wiedergutmachung sowie das schlechte Gewissen betrachten. Nur ist das deren Problem, aber sicherlich nicht das der Israelis oder der Menschen, die Israel ohne den Gedanken an dieses selbst auferlegte Tabu für ihre Politik kritisieren.