Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 18.08.2005, 12:44  
MadHatter
Cosmic Hobo
 
Registriert seit: 03/2004
Ort: Im Wunderland
Beiträge: 2.754
@Kuhfladen:

Zitat:
mit welchem recht möchten christen begründen das sie diejenigen sein sollen die die wertevermittlung übernehmen? nur weil sie in unserem staat die religiöse mehrheit darstellen ist kein grund.
ich meine nach wie vor das glauben und religion quasi als fach an unseren schulen nichts zu suchen hat.

genauso unsinnig finde ich zb. verbote und vorschriften wie zb. das tragen von kopftüchern. mit welchem recht wird einem menschen das indivialrecht zum zeigen seiner religionszugehörigkeit abgesprochen?
ein kreuz um den hals oder als aufnäher an hemd würde auch niemand verbieten. entweder gleiches recht für alle oder totale verbannung aller symbole aus dem schulischen-behördlichen raum.
Das lässt sich sehr leicht widerlegen, denn ich glaube, du hast die Kopftuchdebatte nicht richtig verfolgt.

Das Kopftuch ist nämlich nicht nur ein religiöses Symbol.

Eine Ableitung des Kopftuchgebotes aus dem Koran ist umstritten und die diesbezüglichen Stellen (Sure 23,30-31; 33, 59) werden auch innerislamisch unterschiedlich interpretiert.

Die Gründe, warum Frauen ein Kopftuch tragen, sind darum sehr unterschiedlich und nicht auf einen Nenner zu bringen.
Mögliche Gründe können sein:

- Tradition und Gewohnheit
- Äußeres Bekenntnis zum Islam als Religion
- individueller Glaubensausdruck
- Schutz der persönlichen Würde
- Protest gegen ein sexistisches Frauenbild in den westlichen Medien und Teilen der Öffentlichkeit
- Demonstratives Kennzeichen, Muslima zu sein, zum Teil auch mit fundamentalistischen und politischen Überzeugungen
-Zwang durch andere Muslime (Männer oder Frauen)

Weil die Gründe für das Kopftuchtragen so vielfältig sind, kann das Kopftuch keine einheitliche Botschaft vermitteln. Auch lässt sich hieraus nicht eindeutig auf ein bestimmtes Menschenbild, insbesondere was die Gleichstellung von Mann und Frau betrifft, schließen.
Wird das Kopftuch ausschließlich als Zwang und Unterdrückung der Frau interpretiert, so wäre es zu Recht ein Widerspruch zu Art. 3, Abs.1 und 2 GG und müsste verboten werden.
Genauso wäre ein Kopftuchverbot angebracht, wenn es ein Ausdruck einer fundamentalistischen Haltung wäre, die sich gegen die demokratischen Säulen des deutschen Staates richten würde, doch gerade muslimische Lehrkräfte, die bei uns studiert haben, sind selbstbewusste und demokratisch gefestigte Frauen, die durch das Tragen ihres Kopftuchs nur ihre Religiosität unterstreichen wollen.

Kommen wir damit zur religiösen Dimension:
Wird das Kopftuch als religiöses Symbol aufgefasst, ist ein Verbot des Tragens ein klarer Eingriff in die persönliche Religionsfreiheit und damit ein Widerspruch zu Art. 4 GG.
Auch eine Lehrkraft darf zu erkennen geben, dass ihre Religion und ihr Glaube sehr wichtig sind. Weiterhin zwingt der Anblick eines Kopftuches zu keinerlei religiöser Handlung oder Haltung und ist deshalb auch kein Angriff auf die negative Religionsfreiheit (Art. 140 GG).
Es schränkt auch nicht den Erziehungsauftrag der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG) ein und in Art. 33, Abs. 3 GG ist zudem unmissverständlich geregelt, dass die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig vom religiösen Bekenntnis zu erfolgen habe.

Wir befinden uns bei der Debatte um das Kopftuch also nicht auf einer religiösen Ebene, den von ihr ausgehend wäre ein Verbot keinesfalls durchgekommen, sondern auf einer politischen.

Ich persönlich spreche mich, schweren Herzens, wegen dem antifeministischen Gesellschaftsbild und der fundamentalistischen Tendenzen, die das Kopftuch leider auch mittransportiert, für ein Verbot an Schulen aus.

Zitat:
Zitat von andrewaustralien
Ich wäre für die totale Verbannung.
Allein schon das Wort "Verbannung" zu benutzen, stimmt nachdenklich in einer pluralistischen Gesellschaft.
Zur christlichen Religion an Schulen ist zu sagen, dass Deutschland zwar ein säkularisierter aber kein laizistischer Staat ist. Dies haben die Bundesverfassungsrichter am 24.09.2003 in ihrem Urteil zum Kopftuchstreit noch mal sehr deutlich hervorgehoben:

"Die dem Staat gebotene religiös weltanschauliche Neutralität ist nicht als eine distanzierende, im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen."

Eine Verbannung der Religion aus den Schulen, sowie von allen Ebenen des Staates führt nicht zu einer Pluralität der Lebensformen sondern dazu, dass eine neue Lebensanschauung die Oberhand gewinnt: Der Atheismus.
Obwohl du dir das als Atheist natürlich wünschen würdest, darf das unmöglich sein.
Dem Staat kann es nämlich nicht um eine Abwägung religiöser Meinungen gehen- was er damit unweigerlich tun würde!

Vielmehr muss er insbesondere das Schulwesen für alle so gestalten, dass Räume für unterschiedliche Lebensmodelle geschaffen werden, in denen sich jeder einbringen und verwirklichen kann.
Darum ist in jedem Lehrplan festgehalten, dass auch im konfessionellen Religionsunterricht andere Religionen besprochen werden.

Mir scheint teilweise auch, dass ihr überhaupt keine Ahnung von den deutschen Religions-Lehrplänen habt, sondern von einem Unterrichtsmodell ausgeht, das schon längst zu Grabe getragen wurde.
Ich glaube, auf weitere Fragen werde ich mal ein paar Auszüge hier rein setzen.

Das Christentum ist nun mal eine unserer kulturellen Wurzeln, sei es der Einfluss durch Luthers Bibel auf unseren Sprachgebrauch oder das Verständnis einer monogamen Ehe, was nicht selbstverständlich ist, wenn man beispielweise in den islamischen Raum blickt.
Zudem sind ja auch viele unserer Vorfahren auf christlichen Friedhöfen begraben und es wäre angebracht, Orte zu haben, mit deren Symbolik man auch etwas anfangen und wo man auch verstorbene geliebte Menschen besuchen kann, um ihr Andenken in Ehren zu halten.
In solchen Momenten wird man auch unweigerlich wieder seine religiöse Dimension spüren und erkennen, dass nur sie es ist, die die Trauer und das Entsetzen, all das unfassbare, einen Ausdruck verleiht und eine Hoffnung entgegensetzen kann.
MadHatter ist offline