Ja, es ist Wahlkampfjahr.
Und 99% der Bürger entnehmen nun mal den Nachrichten:
"Kinderpornos werden im Netz gesperrt? Sehr gut. Hat die Von der Leyen mal durchgegriffen. Chapeau."
An sich könnte man auch sagen, daß das nicht schlecht ist.
Auch wenn der Schutz leicht ausgehebelt werden kann, so verirrt sich wenigstens niemand aus Versehen auf Kinderpornoseiten und wird dadurch angefixt...
... moment... angefixt?
Ist Pädophilie nicht eine Neigung?
Und wenn man den Schluss mal gezogen hat, wird klar, daß die ganze Sache nicht mal diesen (letzten) positiven Nebenaspekt hat.
Wer pädophil ist und seinen Neigungen im Netz nachgehen will, wird die Sperre leicht umgehen können.
Wem sexuelle Aktionen an Kindern zuwider sind, dem fällt alles aus dem Gesicht, wenn er doch mal aus Versehen über sowas im Netz stolpert und macht die Seite aber sowas von schnell wieder zu.
Die c't hat grad auch einen Artikel zum Thema.
Recht interessant z.B. der Punkt:
Von der Leyens Familienministerium argumentiert mit einem Anstieg von 111% bei der Besitzverschaffung von kinderpornographischem Material im Netz (2006->2007).
Dabei wurde jedoch nur die
eingeleiteten Ermittlungsverfahren gezählt.
Und just 2006 fand die legendäre "Operation Himmel" statt, die in Deutschland bis dato umfassendste Ermittlungsaktion zum Thema Kinderpornographie, die zu einem grandiosen Rohrkrepierer wurde. In Köln wurden wohl alle Ermittlungsverfahren wieder eingestellt. In Berlin 400 von 500 Fällen.
=> Das Ministerium argumentiert mit falschen Zahlen um das Gesetz durchzudrücken.
Zitat c't:
Zitat:
Eine BKA Sprecherin sagte dazu lapidar: Wie unsere Zahlen im politischen Raum genutzt werden, entzieht sich unserem Einfluss.
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Das ganze ist widerlich.
Es werden Kinderpornos als Vorwand genutzt um schon mal einen Fuss in der Tür zu haben um alle möglichen Webinhalte zensieren zu können und um sich zum anderen ein bißchen für den Wahlkampf zu profilieren.
Auch schön: Providern, die sich gegen Zensur weigern und auf eine gesetzliche Regelung pochen, droht Von der Leyen mit Rufmord.
Sie werde die Namen aller Provider nennen, die sich nicht schriftlich dazu bereiterklären einen Vertrag mit dem BKA zu unterschreiben, der ermöglicht, daß "Seiten, die Vergewaltigungen zeigen" gesperrt werden können.
Ein paar Effekte gibt's natürlich.
Auch wenn die Liste mit den gesperrten Kinderpornoseiten geheim bleiben soll, wird sie nach und nach über die gesperrten Seiten ihr Licht an die Öffentlichkeit finden.
Und Pädophile haben daraufhin irgendwann ein perfektes "Telefonbuch" und müssen nicht mehr lange suchen.
Dasselbe ist in anderen Ländern, die dieses System benutzen, auch schon geschehen.
Die Musikindustrie ist natürlich schon lange auf den Plan getreten und Ex-VIVA Chef und Vorstandvorsitzender der Deutschen Musikindustrie hat schon die Adressen einiger Musikpiraterie Webseiten in seinem schwarzen Büchlein, die er gerne auch auf der Kinderpornoliste sehen würde.
Und hier sieht man schon, wo die Reise wohl mal hingehen wird.
Interessensvertreter verschiedenster Gruppen, werden versuchen Einfluss auf Politiker zu nehmen um Webinhalte zu zensieren, wenn die Instrumente erst mal da sind.
Noch zu der Schwierigkeit der Umgehung der Sperre:
Je nachdem wie die Sperre ausfällt ist sie im einfachsten Fall (Modell Skandinavien) durch eine schnöde Änderung des voreingestellten DNS Servers auszuhebeln und im schwersten Fall muss man sich für ein paar Euro im Ausland den Zugang zu einem VPN Server erkaufen.
Momentan sieht es aber danach aus als würde der simple Eintrag eines ausländischen DNS Servers in der Netzwerkkonfiguration schon ausreichen um die Sperre dauerhaft zu umgehen. Zeitaufwand: 40 Sekunden.
Und nochmal ein Zitat:
Zitat:
Ausgerechnet der Chef der Polizeiermittlungsgruppe gegen Kinderpornographie und Kindesmisshandlung in Stockholm, Björn Sellström, fiel jüngst der Bundesregierung in den Rücken. Er äusserte massive Bedenken gegen die Wirsamkeit der dort installierten Webseiten-Sperren: "Unsere Sperrmaßnahmen tragen leider nicht dazu bei, die Produktion von Webpornographie zu vermindern", erklärte er gegenüber Focus.
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c't 2009/Heft 9
siehe auch:
Internet: Wirksamkeit von Kinderporno-Sperrungen umstritten - Internet - FOCUS Online