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Alt 03.05.2014, 10:37  
Calla Bryn Sturgis
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Ort: Berlin
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Callas Schreib-Labor

(Vorab zur Info, um Missverständnisse zu vermeiden: keines der Gedichte, die ich hier reinstelle, sagt in irgendeiner Weise etwas über meine eigene Persönlichkeit aus, auch nicht die in der Ich-Perspektive. Sie dienen mir lediglich als Inspirations-Stütze für ein "Projekt", an dem ich arbeite.
Also... falls mal etwas ziemlich düster zu sein scheint, muss es noch lange nicht heißen, dass ich im Real-Life auch so drauf bin.
Rezensionen und Kommentare sind erwünscht.)

Zu Anfang erstmal ein eher etwas übertrieben niedliches, selbstverfasstes "Märchen", wie ich es nenne...


Der kleine Junge mit der weißen Feder

Einsam saß er am Straßenrand.
Seine Gedanken waren fern.
Hielt eine weiße Feder in der Hand.
Sie zu betrachten, mochte er gern.

Fragte sich, welcher Vogel sie verlor
und ob dieser sie vermissen würde.
Ob der Vogel wohl ohne sie erfror?
Denn zu frieren war eine große Hürde.

Dies wusste der Junge nur allzu gut.
An jedem neuen Tag zitterte sein Leib.
Sein Leben war geprägt von großer Armut
und unerträglicher Einsamkeit.

Da sprang der Junge plötzlich auf
Hielt die Feder fest in seiner Hand.
Sah zu dem grauen Himmel hinauf.
Sein Blick so erwartungsvoll, so gebannt.

Doch konnte er nur fahle Wolken sehen.
Seine Augen huschten hin und her.
Sah keinen Vogel nach der Feder spähen.
Der Himmel war von Leben leer.

Deshalb lief er schnell die Straße entlang.
Der Wind pfiff ihm um die Ohren.
Sein Blick dem Himmel nicht abgewandt,
ward Verzweiflung in ihm geboren.

Er lief so schnell es ihm gelang.
Konnte seine Beine nicht mehr spüren,
während ihm wurde Angst und Bang’.
Wohin wird ihn diese Straße führen?

Vor Erschöpfung taumelnd blieb er stehen.
Ihn durchfuhr ein lautes Klagen.
Konnte immernoch keine Vögel sehen.
Wen könnte er nach dem Weg fragen?

Und da entdeckte er es im Abenddunkel.
Ein kleines Mädchen; er konnte es kaum glauben.
Doch was ließ ihr Gesicht so funkeln?
Es waren die Tränen in ihren Augen.

Sie zuckte auf, als auch sie ihn sah.
Begreifen konnten beide es erst später.
Ihre Hände so zart, so wunderbar,
umschlossen eine weiße Feder.

Schüchtern gingen sie aufeinander zu.
Trauten kaum sich anzusehen.
Die Einsamkeit war fort im Nu’.
Konnten dieses Wunder nicht verstehen.

Viele Augenblicke standen sie stumm da.
Des Mädchens Tränen vergingen.
Wusste zwar nicht wer dieser Junge war,
doch vermochte ihr Herz vor Freud’ zu singen.

Gemeinsam würden sie nach den Vögeln suchen.
Lag das Ziel auch noch so fern.
Möge sie der Lauf der Zeit verfluchen,
die Vögel finden wollten sie so gern.

Zwanzig Jahre später ungefähr
So viel Schönes war bereits geschehen,
auch Böses beeinflusste ihr Leben sehr,
sah man sie am Fenster stehen.

Arm in Arm, im Ehebund vereint.
Wie schnell war nur die Zeit vergangen,
doch hat es das Schicksal gut gemeint.
Glücklich lebten sie seither zusammen.

Jeden Tag gingen sie an den großen See.
Betrachteten die Vögel, die dort schwammen.
Große Schwäne, weiß wie Schnee
und Lerchen, die auf Bäumen sangen.

Erinnerten sich dann an jene Augenblicke.
Waren sie damals kindlich, zu allem bereit,
Obwohl es der Wille des Schicksals war
sie zu vereinen für alle Zeit.

© by Calla Bryn Sturgis
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