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Alt 07.09.2016, 08:57  
SirPatrick
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Frau Merkel wird nächstes Jahr nicht nochmal als Kanzlerkandidatin antreten, das ist intern fast beschlossene Sache. Frau Merkel weiß das und lotet nun ihre Optionen aus, was sie nach ihrer Kanzlerschaft tun wird. Deswegen hat sie es auch noch nicht verkündet. Grund hierfür war die CSU die eine weitere Kandidatur Merkels ausgeschlossen hat und das Fortbestehen der Union davon abhängig gemacht hat. Man merkt auch aktuell, dass die Partei zumindest den Äußerungen nach wieder mehr nach rechts rückt. Intern wird tatsächlich vereinzelt über Koalitionen mit der AFD nach der nächsten Bundestagswahl gesprochen. Zum einen, weil man die SPD satt hat, zum anderen weil man die AFD in die Verantwortung einbinden will um ein weiteres Wachsen zu verhindern. Das oberste Ziel ist es zu verhindern, das die AFD so stark wird wie die FPÖ in Österreich. Davor hat man in der Union am meisten Angst, weil man sich dann überflüssig machen würde. Deswegen rückt der Traum eine Koalition mit den Grünen in weiter Ferne. Herr Tauber (der Generalsekretär) und seine Hipsterconnection dürften auch bald Geschichte sein. Kauder wird sowieso entsorgt.

Aktuell geht es darum einen Nachfolgekandidaten aufzubauen. Die offene Frage ist nun, ob die CSU nun an der Reihe ist mal wieder einen Kanzlerkandidaten zu stellen. Diese Fragen müssen die beiden CSU Schwergewichte Seehofer und Söder klären. Müsste ich eine Wette abschließen, wäre ich aktuell fast geneigt Seehofer als Kanzlerkandidaten zu sehen. Söder würde dann den Posten als bayrischer Ministerpräsident übernehmen, im internen Rennen hat er Frau Aigner klar ausgestochen.

Sollte die CDU wieder den Kanzlerkandidaten stellen, ist das eine offenere Frage. Frau van der Leyen wird Ansprüche stellen, glaube aber nicht dass sie sich durchsetzen würde. Herr Schäuble wird sich das in seinem Alter vermutlich eher nicht mehr antun, es könnte aber die Krönung seiner politischen Karriere sein. Sollte Schäuble nach einem Abgang Merkels aber tatsächlich Kanzler werden wollen, würde das die CSU mittragen. Ansonsten dürfte es auf einen Kandidaten rauslaufen, der aktuell nicht so sehr im Fokus steht. Das Problem ist, dass die CDU eigentlich nicht mehr über einen herausragenden Ministerpräsidenten verfügt, der im Zweifelsfall in die Presche springen könnte. Frau Klöckner hat es nicht geschafft, in diese Position durch einen Wahlsieg in Rheinland-Pfalz hereinzurücken.

Sigmar Gabriel versucht seinen Parteivorsitz zu retten, in dem er sich von Merkel abwendet. Selbst die SPD Parteilinke kritisiert mittlerweile Merkel für ihre Politik. Das internationale Ansehen von Frau Merkel ist ebenfalls im Keller, die EU steht nicht mehr hinter ihr. Man lässt sie allenthalben fallen wie eine heiße Kartoffel. Die einzige Machtoption für die SPD ist jedoch ein gutes eigenes Abschneiden. Deswegen rückt die Partei mittlerweile auch öffentlich nach rechts und gibt sich als Merkelkritiker. Man hofft dadurch den eigenen Komplettabsturz zu verhindern und man wird sich denke ich 2017 tatsächlich im Wahlergebnis steigern können. An Rot-rot-grün glaube ich bei der aktuellen Gemengelage mittlerweile nicht mehr. Diese Machtoption wird es meiner Meinung nach nicht mehr geben.

Ich erwarte folgende Parteien im neuen Bundestag (in der Reihenfolge der erwarteten Stärke):

1. CDU/CSU wird sich denke ich als stärkste Einzelfraktion halten können
2. SPD wird sich knapp als Nr. 2 behaupten können, zur GroKo wird es aber nicht reichen
3. AFD, wenn sich die Gemengelage nicht um 180 Grad dreht, wird die Partei klar drittstärkste Kraft mit einem Ergebnis zwischen 15 und 20 %
4. Grüne, wie üblich knapp unter 10 %
5. Die Linkspartei, durch die traditionellen guten Wahlergebnisse im Osten zwischen 5- und 7 %
6. Die FDP, die Liberalen werden knapp in den Bundestag einziehen

Ich rechne nächstes Jahr (noch) nicht damit, dass die Union eine Koalition mit der AFD eingeht, daher bleiben folgende realistische Optionen:

1. CDU-SPD-FDP Koalition
2. CDU-SPD-Grüne Koalition

Rein rechnerisch wird auch eine Koalition CDU/CSU-AFD-FDP möglich sein (die meiner Meinung nach spätestens 2021 kommen wird, sollte die AFD so weiter wachsen), das wird 2017 aber noch zu früh sein für ein solches Bündnis. Das könnte ein Thema für nach den NRW Landtagswahlen werden, wenn sich diese 3 Parteien zusammenfinden um Frau Kraft aus der Staatskanzlei zu jagen.

Auf jeden Fall befinden wir uns in einem politischen Zeitenwandel. An 6 Parteien Bundestage werden wir uns gewöhnen können, ich rechne in Zukunft auch wieder mit klaren Lagerwahlkämpfen (die linke Seite bestehend aus SPD-Grünen- Linkspartei gegen die (rechts)konservativ-liberale Seite CDU/CSU-AFD-FDP). Die politischen Diskussionen werden zukünftig auch wieder lebendiger, aber auch harscher im Ton geführt werden. Die Demokratie in Deutschland befindet sich auf jeden Fall in einem Wandel. Das sind auf alle Fälle spannende Zeiten in denen wir leben.

Das Einzige was man mit an sich grenzender Wahrscheinlichkeit sagen kann, ist das Deutschland politisch mehr nach rechts rücken wird. Damit dürften die Vereinigten Staaten von Europa auf lange Sicht Utopie bleiben. Frau Merkels Taktik durch nach links rücken der SPD die Wähler abzugraben, wird wie ein Bumerang auf sie zurückfallen und zum Ende ihrer Kanzlerschaft führen. Nebenbei hat sie es noch geschafft, das oberste Ziel der Union (die Etablierung einer Partei rechts der Union) deutlich zu verfehlen. Irgendwie ironisch ist das schon.
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