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Alt 06.01.2017, 09:17  
Fischli >°}}}>><
süß-sauer mariniert
 
Registriert seit: 11/2012
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Ich glaube die Krux ist, so viel Entscheidung zu lassen wie möglich aber so viel einzugreifen wie notwendig ist.

Meine Omi, sie starb 2014, erkrankte auch an Demenz. Erst glaubten die Ärzte es wäre Alzheimer aber sie irrten sich. Es find damit an, dass sie dauernd etwas gesucht hat. Es ging weiter, dass sie längst verstorbene Personen gesucht hat und maßlos entsetzt war, wenn sie erfuhr, dass diese Tot sind. Dann kam von ihr viel Ärger und Frustration. Ich hatte ja keine Ahnung, was meine Omi für Schimpfwörter kennt... und sie merkte irgendwie, dass etwas verkehrt war. Dass wir uns um sie kümmerten und sorgten und nicht mehr sie sich um uns. Das verwirrte sie und machte sie zornig. Also kam künftig eine Dame von einem gemeinnützigen Verein um sie zu unterstützen. Das hat eine ganze Weile gut funktioniert, mit ihr ging das problemlos was mit uns nicht ging. Wenn sie Verstorbene suchte erklärten wir ihr, dass die gerade nicht hier seien um sie nicht jedesmal damit zu schocken, dass diese Menschen tot waren. Mit dieser Ausflucht konnte sie am Besten und beruhigte sich wieder. Ja, es fühlte sich lange falsch an, aber es war auch nicht ganz gelogen, immerhin waren diese Personen ja wirklich nicht hier. Und es erschien besser zu sein ihr nicht jedesmal die Wahrheit aufzudrücken womit es ihr schlimm schlecht ging wenn sie 3 Stunden später wieder alles vergessen hatte und wieder suchte. Ich fand es grausam, sie jedes Mal neu trauern zu lassen.

Nun, aber dann wurde ihre Krankheit mit der Zeit gefährlich für sie. Und uns. Sie schaltete den Herd an, bis die Platte glühte. Und da sie das helle Glühen gestört hat legte sie eine Zeitung drüber. Zum Glück fing nichts Feuer und die Zeitung verkokelte lediglich. Dann verlegte sie dauernd ihre Herztabletten. Kratze sich die Arme wund weil sie glaubte, es würden Würmer unter ihrer Haut kriechen (falsche Medikation gegen Alzheimer, daran wurde offensichtlich, dass es Demenz ist und das Medikament wurde schnellstmöglich abgesetzt).
Nachdem das Medikament weg war ging es allerdings damit besser jedoch mit der Gedächtnisleistung steil bergab. Erst als sie dann in ein Heim kam beruhigte sie sich da sie meinte, sie wäre auf Kur und sich riesig über das schöne Zimmer freute. Sie wusste nicht mehr, wo sie zu hause war, wann sie zuletzt was gegessen hatte oder wer wir waren.

Im Heim haben sie sich gut gekümmert. Sie durfte wählen, was sie essen wollte, aber sie wurde sanft überredet, zu essen. Sie musste ihre Medikamente nehmen und durfte aber entscheiden, wer ihr diese gab. Sie durfte das Duschgel aussuchen aber es war ihr jemand beim Duschen behilflich.

Ich denke, es ist wichtig diesen Menschen mit Demenz mit Respekt zu begegnen und ihnen ihren Willen in den Dingen zu lassen wo es ihnen damit gut geht. Wo es gefährlich oder verwahrlosend wird sollte man sich kümmern. Körperpflege, regelmäßiges Essen und die passende medizinische Versorgung sind solche Punkte. Aber es wäre falsch einen Senior zum Basteln zu stecken wenn er lieber aus dem Fenster sehen möchte.
Pflegekräfte in Heimen leisten hier sehr wichtige und menschliche Arbeit. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie sich so um meine Oma gekümmert haben damit sie sich wohl fühlen konnte. Wir kamen sie so oft wie möglich besuchen. Erzählten ihr 4 Mal dieselbe Geschichte wenn sie fragte und freuten uns, wenn sie sich freute. Blätterten durch ihre alten Fotoalben und ließen sie erzählen, auch wenn sie schon alles mischte. Umarmten und kuschelten sie wie früher als wir Kinder waren da sie dann lachte und strahlte. Erzählten ihr weiterhin alles mögliche auch wenn sie selbst nicht mehr redete sondern nurmehr lächelte.
Ich vermisse sie sehr.

Vielleicht hilft dir das weiter.
Fischli >°}}}>>< ist offline