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Alt 02.07.2020, 18:59  
dudeldi
Golden Member
 
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Ort: Unter einem großen bunten Herbstlaubbaum
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Töchterlein hält mich für ausländerfeindlich

So, es ist so weit, es geht nicht mehr um meine Liebesdinge, sondern um die meiner Tochter (17).

Ich bin ein Sarkastiker vom alten Schlage und das Bücherregal ist voll mit Max Goldt, Kishon, Bukowski - im Plattenregal Roski, Degenhardt und andere ungezügelte Lasterbolde. Das hat natürlich Spuren in mir hinterlassen, sozusagen ein Privat-Harald-Schmidt. Gerne ziehe ich über Götter und Welten her und zitiere auch mal gerne Hitler, Stalin oder Idi Amin, wenn es der Stimmung dient.

Beruflich arbeitete ich als geborener Ruhrpottkanacke mein ganzes Leben immer mit zahllosen Türken zusammen, allerdings auch welche aus meiner Generation und entsprechend resilient gegen mehr oder weniger kluge doofe Sprüche. Politisch verorte ich mich "altlinks".

Türken kriegen bei mir genauso ihr Fett weg wie alle anderen Volksscharen, aber nie wegen ihrer Herkunft, sondern eher wegen der Lümmels, die abends zum Entsetzen ihrer zurückhaltenden Eltern in Autos mit schwarz zugeklebten Scheiben unter "Ey was geht Bro"-Rufen einen auf Wohlstandsunderdog machen, während sie morgens ihr Wirtschaftsingenieursstudium als unausgesprochenen Loyalitätsbeweis zur westlichen Wertegemeinschaft betreiben.

Nun hat meine Tochter einen türkischstämmigen Freund und schämt sich meiner. Im Gegensatz zu meinem Sohn konnte sie mit meinen kleinen Gehässigkeiten nie gut umgehen und hatte immer schon ein Problem damit, dass ich "komische" Musik höre, "abartige" Bücher lese, Liegerad fahre und "total danebene" Bemerkungen absondere. Natürlich weiß sie sehr genau, dass ich kein Faschist bin, denn als Erbkranker bin ich nach deren Duktus eine Ballastexistenz und sie hätten mir die Eier abgeschnitten, was ich als Nazi denn auch konsequenterweise freiwillig selbst hätte tun müssen, mit der zwangsweisen Folge ihrer Nichtexistenz.

Alle aus der Sippe kennen ihn schon, aber sie weigert sich, ihn mit zu mir zu bringen. Sie kommt regelmäßig vorbei, aber allein, umschifft das Thema und hat mir noch nicht einmal selbst davon erzählt.

Pubertätsfremdschämen ist normal, aber jetzt läuft ja offenbar schon das echte Leben an. Ich finde das Verhalten übrigens nicht nur mir gegenüber befremdlich; was soll denn der junge Mann von ihr denken, wenn sie sich vor ihrem Vater nicht offen zu ihm bekennt?

Je länger die Lage andauert, desto gezwungener und unnormaler muss doch dann die Begegnung für den armen Verheimlichten ablaufen. Ach ja, und für mich auch. Ich kann ja schlecht gleichzeitig meine türkischen Kollegen als Persilscheinbeschaffungsfreunde einladen, nur damit ihr Freund sieht, daß ich durchaus parallelgesellschaftsfähig bin.

Hmmhmm. Jetzt bin ich am Ende mit meinem Latein und auch mit meinem Altgriechisch. Wobei ich letzteres wohl besser nicht auspacken sollte, wenn wir mal über Zypern diskutieren ...
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