22.09.2005, 22:19 | #381 | |||
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Zitat:
sagen wir, liebe sei (untertrieben gesagt) eine besondere bevorzugung. man kann nicht alle "bevorzugen", man kann höchstens alle gleich achten. das ist aber "nur" gerechtigkeit und nicht liebe. (außer man sagt, achtung sei eine sehr reduzierte oder basale form von liebe). ich z.b. würde das, was man nächstenliebe nennt, lieber gerechtigkeit nennen, da gerechtigkeit etwas ist, das man gebieten kann. und zwar deshalb, weil da die vernunft einen größeren anteil hat als bei der liebe. man kann z.b. nicht fordern, andere zu lieben, weil bei der liebe (oder sogar schon bei der sympathie) emotionen eine größere rolle spielen als bei der gerechtigkeit und man deshalb darauf weniger einfluß hat. man kann aber fordern, jemanden zu achten. oder noch anders: achtung ist, was einem allgemein zusteht, liebe ist mehr ein geschenk.
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23.09.2005, 01:48 | #382 | ||||
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ich hab jetzt nicht mehr alles gelesen...
Zitat:
was bitte ist denn "gerechtigkeit"? (da gibts ja auch ne menge definitionen ) Zitat:
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23.09.2005, 13:08 | #383 | |||||||||||
Cosmic Hobo
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@dieletze:
Zitat:
Zitat:
(@Andrew: An dich geht genau die gleiche Frage) Zitat:
Plötzlich ist auf einmal kein Regelfall mehr? Was meinst du denn nun? Denk an Wittgenstein: "philosophie ist die befreiung des verstandes von der verhexung durch die sprache" Zitat:
Macht eine Trennung etwa alle meine Erfahrungen und Erlebnisse nichtig? Was sind das nur für Vorstellungen? Selbst wenn ich mich trenne, kann ich mit meinem Partner mal aufs innigste verbunden gewesen sein. Zitat:
Hinzu kommt noch die arrogante Selbstsicherheit, die dich im kritischen Denken behindert, weil ja eh immer alles so kommt, wie du es dir im vorhinein denkst. Zitat:
Es scheint dich immer aufzuwerten, wenn anderen schlechtes wiederfährt. Zitat:
Nehmen wir an, ich bekomme mit meiner Partnerin ein Kind, dann liebe ich es nicht, weil ich ja schon meine Partnerin liebe, und wie kann ich mir dann auch nur im entferntesten anmaßen, mein Kind zu lieben? Oder meine anderen Verwandten oder meine Freunde? Um wie vieles gründlicher kann man die Liebe noch zertrampeln, als mit deiner Meinung? Die Begründung können wir uns auf der Zunge zergehen lassen: Zitat:
Daran zerbricht jede Schubladenlogik. Zitat:
Damit ergibt sich ein ganz neuer Sinnzusammenhang, denn die Forderung nach Liebe blieb auf der Strecke, wenn wir die Nächstenliebe aus unserem Wortschatz streichen würden und sie durch Gerechtigkeit ersetzten. Keinesfalls ist jenen hochmütigen Gerechtigkeitsforderern wohl einsichtig, wie wesentlich dem Menschen die Liebe ist und das Gefühl, berechtigt und akzeptiert zu sein. Ihnen haben sich ja derartige Fragen nie gestellt, und im Zweifelsfall wissen sie sich schon zu beschaffen, was sie brauchen; aber dass es im menschlichen Umgang Fragen geben sollte, die sich nicht mit Verstand und gutem Willen, mit klaren Entscheidungen und eindeutigen Stellungnahmen lösen lassen, ist ihnen unvorstellbar. So etwas wie ein Unbewusstes, in der Sprache der Psychoanalyse, ist ihnen schlechterdings nicht einfühlbar, es ist wie ein mutwilliges Attentat auf ihre Selbstsicherheit (siehe oben), wenn sie einsehen müssten, dass sie und die Welt durch mehr als Logik und klare Verstandesregeln funktionierten. Eine Zeitlang mögen solche Menschen beispielsweise einem Alkoholiker rational und vernünftig erklären, er müsse sich zusammennehmen, unter allen Umständen müsse er den Alkohol meiden, schon eine winzige Menge könne einen Rückfall beschwören. Ja, wenn er so weitermache, drohe ihm eine nachhaltige Schädigung seiner Gesundheit, baldiger sozialer Abstieg, Schäden des Gehirns, der Leber, des Herzens, ein baldiger Tod- ich garantiere, alle diese vernünftigen Argumente werden nicht das Geringste bei ihm bewirken. Tritt man statt dessen mit der Forderung der Nächstenliebe an ihn heran und nimmt Anteil an seinem Leben, lässt ihn -den Rahmen des Sichtbaren sprengend- spüren, berechtigt zu sein, und dass es etwas gibt, dass ihn trägt, so öffnet sich sein Herz für die vernünftige Argumentation wie von selbst. (Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf den Film Dead Man Walking hinweisen) Diese Welt des Unsichtbaren auszusperren können jene ewig Richtigen am besten, indem sie sich an abstrakte Begriffe festhalten, die zwar inhaltlich bedeutungsvoll erscheinen, doch gleichzeitig leer und arm an Menschlichkeit sind. Sie können mit ihrer Angst, mit ihrer Wohlangepasstheit, mit ihrer allseits abgesicherten Durchschnittlichkeit täglich einen zwischenmenschlichen Mord begehen- sie merken es nicht, und würde man es ihnen sagen, so verstünden sie durchaus nicht, wovon überhaupt die Rede ist. Wenn es irgendeinen perfekten Mord gibt, so bei diesen Magiern des Todes! Niemals empfinden sie, was an Leben sie in sich selbst ersticken mit ihren Dauerratschlägen und ihren ach so vernünftigen Forderungen und Ratschlägen zertreten. Alle Verbundenheit ist nämlich eine Illusion; darum nehmen sie nie Anteil an anderem Leben, denn an dem Unleben ihrer Mitmenschen wissen sie sich durch ihre abstrakten Begriffe allenfalls im Abstrakten beteiligt- alle seelischen Störungen gelten ihnen nach Bedarf als "medizinisch" bedingt, als eine Sache der Experten, der richtigen Medikamente und erneuter "vernünftiger" Maßnahmen. Dieser Teufelskreis könnte so einfach durchbrochen werden, wenn jene wieder lernten, ihre eindeutige abstrakte Selbstsicherheit zu Gunsten einer uneindeutigen Menschlichkeit zu öffnen und die Forderung der Nächstenliebe in ihr Leben aufzunehmen.
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23.09.2005, 13:28 | #384 | |||||
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Zitat:
was du damit eigentlich meinst, ist -glaube ich- vielmehr, dass worte nicht reichen, um ein erleben vollständig zu beschreiben. den anspruch hat ja hier auch keiner; das kann man den schriftstellern überlassen, die das trotzdem schon immer versucht haben. Zitat:
du kannst ja auch ein paar gedichte schreiben, wenn du keine lust auf analysen hast - hindert dich doch keiner dran. Zitat:
und warum sollte einen das davon abhalten, selbst definitionen zu erstellen?
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23.09.2005, 14:48 | #385 | |||||||||||||||||
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was sind kognitive, normative und volitive KRITERIEN DES BEWUSSTSEINS? mir fällt überhaupt nicht ein, was das sein soll. oder meinst du damit, der mensch hat einen willen (haben tiere auch), hat kognitive fähigkeiten (soetwas wie verstand haben tiere wohl in gewisser weise auch) und er erstellt normen? mit welcher fähigkeit, wenn nicht vernunft, erstellt er die denn??? Zitat:
aber was solls. aus dem stehgreif würde ich sagen, vernunft ist die fähigkeit zur reflektion. (unterschieden vom bloßen erleben und ziele erreichen, kann mittels vernunft das ziel wie das erleben reflektiert werden). Zitat:
Zitat:
denk mal an ihren armen freund, der vermutlich nichts ahnend zuhause sitzt und denkt, er sei glücklich. mir scheint er unbekannterweise mehr leid zu tun als ihr. Zitat:
Zitat:
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(zumal die zahl der verwandten, freunde, etc. ja nicht unendlich ist). ich würde es eher freundschaft oder fürsorglichkeit nennen. für mich ist liebe etwas viel umfassenderes: ein partner kann in gewisser weise vater, sohn, bruder, besten freund und geliebten vereinen. aber das ist meine ganz persönliche auffassung, ich will nicht sagen, dass man nicht auch seine kinder oder eltern "lieben" kann. nur kommt mir der begriff in diesem zusammenhang komisch vor. Zitat:
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ja, ohne zweifel kann liebe so manches heilen (hab ich irgendwas anderes behauptet?). und was willst du uns nun damit sagen? Zitat:
wieso machst du immer diesen widerspruch auf? das ist ja so, als ob du sagen würdest, ein mathematiker muss zwangsläufig ein musikbanause sein und kann nichts mit gedichten anfangen.. Zitat:
da hat mal wieder einer tief in die rhetorische trickkiste gegriffen
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23.09.2005, 14:54 | #386 | |||
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vielleicht muss man den begriff liebe dahingehend näher erläutern und genau so verstehe ich die_letzte auch. liebe ist eben NICHT gleich liebe!
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24.09.2005, 00:06 | #387 | ||
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redet bzw. schreibt nicht so viel...liebt dafür mehr
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25.09.2005, 11:18 | #388 | |||
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25.09.2005, 12:37 | #389 | |||
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25.09.2005, 18:02 | #390 | |||||||||||||
Cosmic Hobo
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Vorher noch ein paar Worte, mit denen ich einige wichtige Punkte ansprechen möchte: @dieLetzte: Zitat:
Zitat:
Vielleicht werde ich das noch zeigen, wenn ich mal mehr Lust haben sollte. Zitat:
Du redest von Vernunft, redest von genauen begriffsanalytischen Definitionen, und nun hast du keine eindeutige Ahnung, was dieser Begriff bedeutet? Höchstwahrscheinlich kann man jede andere Definition sowieso nicht als deine endgültige Definition nehmen, weil sich später wieder rausgeredet wird, nur um (wie ständig) im Recht zu sein. Zitat:
Zitat:
Aber ein Letztes liebe Letzte: Was kann daran komisch vorkommen? Wie kann es dir komisch vorkommen, wenn ein Kind zu seinem Vater sagt, dass es ihn liebt? Kommt es dir seltsam vor, wenn dein Vater dir so etwas sagt oder wenn du andere Eltern so etwas sagen hörst? Was denkst du denn dann? Zitat:
Den Eros, die Begierde, die innere Ekstase, den kann man nicht fordern; wohl aber die Agape, die sich dem anderen zuwendet und ihn im Kern seines Daseins berührt. Im biblischen Verständnis der Liebe steht immer die Agape im Vordergrund, der aber durchaus auch ein Element des Eros eingepflanzt sein kann, und unter diesem Verständnis der tätigen Liebe als Agape konnte Jesus Nächstenliebe fordern. Zudem resultieren viele Probleme unserer Welt nicht aus äußeren Forderungen, sondern aus Defiziten bei der inneren Einstellung. Eine Gerechtigkeit, verstanden als Anspruch an die eigene Mentalität, lässt sich genauso schwer bemessen, wie die Nächstenliebe, da unser Umgang mit Menschen ständig von Person, Rolle und Interesse neu variiert. Nächstenliebe bzw. Agape, das als Ideal verstanden wird, als Anspruch an mich selbst, schärft meine Wahrnehmung, dass die Menschen von einer tieferen Sehnsucht getragen werden und ich kann mich bemühen, so wie in der Liebe zum Partner, das Gute im Anderen zu sehen, daran zu glauben, und auch ihn mit einem Vertrauen zu umgeben, aufgrund dessen er eins wird. Die Art, wie jemand "Ich" sagt, bildet darum das deutlichste Kriterium für Nächstenliebe und auch ob jemand von Gott kommt. Ein "Ich", das seine Macht aus der Schadenfreude, aus der Erniedrigung anderer bezieht, mag sich so oft auf Gott berufen, wie es will- es wird Gott nur im Wege stehen können. Nur jemand, der "Ich" sagt, um durch sich selbst ein fremdes "Du" in das Licht einer wachsenden Vertrautheit zu erheben, steht in der Nächstenliebe und im christlichen Glauben bei Gott. Zitat:
Zitat:
Vielleicht möchtest du ja einen erkennen... Zitat:
Ja hast du, denn du behauptest, man könne nur einen einzigen Menschen lieben und wenn das so wäre, dann wäre die Liebe gefangen, wie in einem Käfig, und könnte niemanden heilen. Außerdem: Wie soll Liebe etwas bewirken, wenn du sie letzten Endes als Illusion darstellst und sie mit einer Fata Morgana vergleichst? Was ich weitergehend sagen möchte ist, dass Liebe bzw. Nächstenliebe immer noch als persönlicher Anspruch an mich gelten sollte. Wir können das nicht per Gesetz verordnen, weil man keine Moral verordnen kann, aber das Christentum schärft in der öffentlichen Debatte immer wieder die Einsicht dafür, dass der Mensch eine tiefere Zuwendung benötigt, um erfüllt leben zu können. Ich meine, und darum studiere ich unter anderem Theologie, dass wir das nicht vergessen dürfen. Zum Ende unserer Diskussion möchte noch einmal zu meinem vielgescholtenen Verständnis von Liebe und Spiritualität Stellung nehmen, welches ja für einige so unerhört klang. Gestern habe ich eine Kunstausstellung besucht und war von diesem Bild besonders angetan: http://www.poster.net/klimt-gustav/k...ss-4800242.jpg Der Kuss, Gustav Klimt 1907 Leider habe ich nur eine Nachbildung gesehen, nichts desto trotz fängt es haargenau mein Verständnis von Liebe ein. Jene zauberhaften Momente des Einsseins, in denen das Anderssein keine Rolle mehr spielt. Das Paar auf dem Bild von Klimt darf hier als Symbol dafür angesehen werden. Die Ornamente der Kleider verschwimmen ineinander, die Grenzen der unterschiedlichen Lebenswelten sind endgültig aufgehoben. Zwei Welten, die durch die Unterschiedlichkeit der Muster angezeigt werden -die eine rund und die andere eckig- verschmelzen mühelos zu einer. Und über all das legt sich rundherum ein goldener Schein, der vor den Strömungen dieser Welt und allen besserwissenden Moralisten schützt, und in seinen Symbolen die Transzendenz der anderen, der jenseitigen Welt, erkennen lässt. Vielleicht fängt dieses Bild die Magie der Liebe am Besten ein?
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