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Alt 03.02.2008, 17:24   #31
roadrunner80
Golden Member
 
Registriert seit: 05/2006
Beiträge: 1.234
Mal ein kurzer Einwurf: Es ist in der Tat müßig, über eine Änderung von Art. 1 GG zu sprechen, denn dessen Schutzbereich unterliegt der sog. Ewigkeitsklausel aus Art. 79 Abs. 3 GG:

Art. 79 GG

Das bedeutet: Art. 1 GG kann durch keinen Parlamentsbeschluss geändert werden. Er ist sozusagen "in Stein gemeißelt".

Man kann allenfalls über die Auslegung streiten, denn es sind Extremfälle denkbar, in denen die Menschenwürde des einen mit der Menschenwürde des anderen kollidiert; hier müsste zwangsläufig eine Lösung gefunden werden, die eine staatliche Beeinträchtigung der Menschenwürde unumgänglich machen würde.

Das Szenario mit dem gekaperten Passagierflugzeug, das zielsicher auf ein gefülltes Fußballstadion zufliegt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tausende Menschen in den Tod reißen wird, wobei zugleich ein Abschuss der Maschine und eine Abwendung des Aufpralls im Stadion verhindert werden könnte, wäre ein solcher Fall.

Beim Nichtabschuss würde der Staat seine Schutzpflicht veretzen und einem tausendfachen Mord aus Rechtserwägungen heraus tatenlos zusehen. Damit wären die im Stadion befindlichen Zuschauer bloßes Objekt staatlichen Nichthandelns und somit in ihrer Menschenwürde verletzt.

Im Falle des Abschusses würde man unschuldige Menschen einem "übergeordneten" Zweck opfern und somit deren Menschenwürde unzweifelhaft ebenfalls antasten.

Dieser Konflikt ist kaum aufzulösen. Aber wenn man über ihn debattiert, heißt das auch, über eine Beeinträchtigung der Menschenwürde zu diskutieren.

Was Folter angeht, so schließe ich mich der hier überwiegend vertretenen Meinung an. Sie darf nicht staatlich erlaubt werden, denn andernfalls würde man einen nicht mehr zu stoppenden Dominoeffekt erzeugen.

Eine andere Frage wäre, inwieweit jemand bestraft werden sollte, der Folter trotz Verbotes anwendet, um Menschenleben zu retten (wie z.B. im Daschner-Fall). Hier sind Konstellationen denkbar, in denen ein übergesetzlicher Notstand die Bestrafung des Täters ausschließen könnte.
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roadrunner80 ist offline  
Alt 04.02.2008, 01:34   #32
Wusch
 
Registriert seit: 08/2004
Ort: München
Beiträge: 19.817
Karlsruhe: Kein Abschuss von entführten Flugzeugen | tagesschau.de

sagt eigentlich alles.

roadrunner, deine frage finde ich auch interessant.
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Wusch ist offline  
Alt 04.02.2008, 03:06   #33
Antarctica
Junior Member
 
Registriert seit: 02/2008
Beiträge: 1
Bei mit dem Metzler-Fall vergleichbaren Ausgangslagen gibt es nur folgende mögliche Konstellationen:

a) Die Täterschaft des Verdächtigen war zu dem Zeitpunkt der Drohung nicht belegbar. In so einem Fall gilt die Unschuldsvermutung, Folter(-drohung) ist absolut unzulässig.
b) Die Täterschaft des Verdächtigen war zu dem Zeitpunkt der Drohung bereits belegbar und das Opfer tot. Eine Drohung ist überflüssig, da niemandem mehr geholfen werden kann.
c) Die Täterschaft des Verdächtigen war zu dem Zeitpunkt der Drohung bereits belegbar und das Opfer lebte noch. In so einem Fall hätte der Täter allen Grund, sein Opfer freizugeben, bevor es stirbt, da das im Strafmaß einen nicht unbedeutenden Unterschied macht. Eine Drohung müsste überflüssig sein. Dem Täter einen guten Anwalt empfehlen, diesem die Indizien schnellstmöglich vorlegen, und er wird seinem Mandanten sofort raten, alles zu erzählen, bevor es zu spät ist.

Will mir jetzt noch jemand erzählen, Folter sei in einem solchen Fall ernsthaft notwendig?
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Antarctica ist offline  
Alt 04.02.2008, 06:35   #34
Mezzo-Mix
Junior Member
 
Registriert seit: 02/2008
Beiträge: 18
Ich halte die strikte gesetzliche Tabuisierung von Folter im Prinzip für richtig - das sollte in einem Rechtsstaat selbverständlich sein. Jemanden, der jedoch in einem bestimmten Fall Folter ausübt oder androht, um damit beispielsweise ein Leben zu retten, würde ich als Richter dann straffrei ausgehen lassen. Das wäre meines Erachtens nach derzeit geltenden deutschen Gesetzen auch möglich, Stichwort "übergesetzlicher Notstand":

Zitat:
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Quelle: § 34 StGB Rechtfertigender Notstand
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Mezzo-Mix ist offline  
Alt 04.02.2008, 07:41   #35
OneSilverDollar
Zan Zendegi Azadi
Themenstarter
 
Registriert seit: 08/2006
Ort: Tal der Königinnen
Beiträge: 13.881
Zitat:
Zitat von Mezzo-Mix Beitrag anzeigen
Ich halte die strikte gesetzliche Tabuisierung von Folter im Prinzip für richtig - das sollte in einem Rechtsstaat selbverständlich sein. Jemanden, der jedoch in einem bestimmten Fall Folter ausübt oder androht, um damit beispielsweise ein Leben zu retten, würde ich als Richter dann straffrei ausgehen lassen. Das wäre meines Erachtens nach derzeit geltenden deutschen Gesetzen auch möglich, Stichwort "übergesetzlicher Notstand":



Quelle: § 34 StGB Rechtfertigender Notstand

Wie du es beschreibst, würde es sich bei dem Folterer um eine Person handeln (vermutlich ein vernehmender Beamter), der sich definitiv nicht unter Kontrolle hat, eine Befragung/Vernehmung durchführt, bei der/sie eine Wut im Bauch hat und diese nicht kontrollieren kann.

Ich erwarte von einem vernehmenden Beamten, dass er sachlich an eine Befragung heran geht. Ansonsten hat er in diesem Job nichts zu suchen.

Was gedacht wird, ist die eine Sache, aber die Durchführung muss im Rahmen der Würde sein.
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OneSilverDollar ist offline  
Alt 04.02.2008, 12:25   #36
trauemer71
abgemeldet
Zitat:
Zitat von roadrunner80 Beitrag anzeigen
Mal ein kurzer Einwurf: Es ist in der Tat müßig, über eine Änderung von Art. 1 GG zu sprechen, denn dessen Schutzbereich unterliegt der sog. Ewigkeitsklausel aus Art. 79 Abs. 3 GG:

Art. 79 GG
Mal ein kurzer Einwurf. Es ist nicht müssig, denn ...

Zitat:
Zitat von roadrunner80 Beitrag anzeigen

Das bedeutet: Art. 1 GG kann durch keinen Parlamentsbeschluss geändert werden. Er ist sozusagen "in Stein gemeißelt".
...das hier stimmt nur bedingt.

Uber den Umweg, den Art. 79 III zu GG ändern, wäre auch eine Änderung von Art. 1 möglich.

Ansonsten finde ich diese Diskussion zu deatailverliebt.

Rechtsänderungen - ob im GG oder anderen Gesetzen - sollten immer eine Gesamtbetrachtung beinhalten.

Tatsache ist, dass under Grundgesetz fast 60 Jahre alt ist.

Das Rechtsgefühl der Menschen, die Rechtsprechung und auch unsere Gesellschaft, die sich auch stetig verändert, müssen/sollten harmonieren.

Insofern gab es immer mal wieder Diskussion, ob das GG noch so zeitgemäß ist. Ob nun die § 218 - Diskussion, der gerechtfertigte Notstand oder aktuell die Folterandrohung.

Hinzu kommt, dass unser Rechtssystem nicht mehr so autark ist wie noch vor 30 Jahren. Eine Entscheidung unsere Obergerichte ist nicht mehr absolut bindend, weil der Rechtszug zu den europäischen Obergerichten zulässig ist.

Meine Meinung nach zu Art.1 GG:

Eine Änderung könnte ich mir durchaus vorstellen. In Zeiten von weltweiten Veränderungen/Bedrohungen, die auch uns betreffen können, ist es eine Überlegung wert, den Schutz der Gesellschaft über die Würde eines einzelnen Menschen zu stellen.

Nicht, weil die Würde des einzelnen antastbar sein soll, sondern weil Schutz der Würde der Gesellschaft ein noch "höheres" Rechtsgut darstellt könnte.

Der Gedanke Gemeinwohl vor Einzelwohl findet sich ja beispielsweise in Art. 14 III GG.
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trauemer71 ist offline  
Alt 04.02.2008, 15:34   #37
Mischka
The Legend
 
Registriert seit: 07/1999
Ort: Landkreis Harburg
Beiträge: 27.753
Drum müßte man auch diese Entscheidung aus Karlsruhe -->>
überdenken.

Meines Erachtens wären die Passagiere in der Unterzahl, wenn das Flugzeug aufgrund eines Terrorangriffes auf ein Großereignis wie Fußballstadien, Rockkonzerte oder auf Kernkraftwerke gesteuert werden.

Soll also der Terrorist/die Terroristen und die unschuldigen ungefähr 150 Passagiere am Leben bleiben, während auf der Erde nach einem evtl. Anschlag zehntausende Menschen das Leben verlieren ?

Solche Entscheidungen wie die aus Karlsruhe würde ich niemals verstehen können......


Collateral Damage.....würde ich sagen
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Mischka ist offline  
Alt 04.02.2008, 15:40   #38
Lunar Eclipse
Forumsgast
 
Beiträge: n/a
Zitat:
Zitat von Mischka Beitrag anzeigen
Soll also der Terrorist/die Terroristen und die unschuldigen ungefähr 150 Passagiere am Leben bleiben, während auf der Erde nach einem evtl. Anschlag zehntausende Menschen das Leben verlieren ?
Die Sache ist nicht so einfach. Man kann nicht Menschenleben gegeneinander abwägen. Der Unsinn eines Abschusses wird aber auch deutlich, wenn man sich überlegt, dass der "Einschlag im Stadion" (oder wo auch immer) hypothetisch ist. Niemand kann wissen, ob er passieren wird. Wieviele Maschinen würde man wohl abschießen und wieviele Menschen hätte man potentiell gerettet? Die Rechnung kann niemand aufmachen. Alles Spekulation.

Lieber eine vernünftige Politik unterstützen, die nicht den Ärger der halben arabischen Welt auf sich zieht. Dann muss man auch nichts abschießen.
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Alt 04.02.2008, 15:46   #39
Sailcat
lass das!
 
Registriert seit: 01/2001
Beiträge: 35.596
die frage ist doch, wo wird das teil abgeschossen? auf der grünen wiese? über der stadt?
was ist mit herabfallenden trümmern?
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Sailcat ist offline  
Alt 04.02.2008, 16:12   #40
Purpleswirl
abgemeldet
Zitat:
Zitat von Sailcat Beitrag anzeigen
die frage ist doch, wo wird das teil abgeschossen? auf der grünen wiese? über der stadt?
was ist mit herabfallenden trümmern?
Führt meiner Meinung nach schon wieder vom Kern des Themas und dem eigentlichem Problem weg.

Wenn ein Passagierflugzeug in den Händen von Terroristen zu einer Bombe wird, dann ist für mich nicht die Frage wo sie entschärft wird, sondern ob sie entschärft wird.
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Purpleswirl ist offline  
 

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