paul258

Hallo allerseits!

Den Gedanken zu diesem Thread trage ich schon lange mit mir rum. Seit einiger Zeit habe ich einen Nebenjob und arbeite in einer größeren Supermarktkette. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber der Supermarkt und auch seine Lage zeichnet sich eher dadurch aus, dass dort vor allem Menschen einkaufen gehen, die etwas mehr Geld in der Tasche haben.

Seitdem ich dort angefangen habe, ist mein Fell sicherlich um mehrere Meter dicker geworden. Dennoch passieren ab und zu Sachen, die mich sprachlos/verwundert zurücklassen. Besonders zu den Feiertagen (wie nun gerade zu Ostern) ist es besonders schlimm.
Ich hätte mir damals, als ich angefangen habe, niemals gedacht, dass es so vielen Menschen an, meiner Meinung nach, normalen Umgangsformen fehlt, bzw. dass sie ein Verhalten an den Tag legen, das zu 99% der Fälle absolut übertrieben und unnötig ist.
Natürlich gibt es Jugendliche Halbstarke, die mal einen dummen Spruch drücken, es gibt viele „Schwerfälle“ (besoffene Obdachlose z.B.), oder geistlich verwirrte oder kranke Menschen. Die meine ich aber alle gar nicht.

Schockiert bin ich eher über den „Durchschnitt“.
Das sind Menschen, die im Laden 40 Minuten mit dem Handy telefonieren, dabei anderen Menschen im Weg stehen und dann an der Kasse laut rumzanken, wenn sie länger als 3 Minuten warten müssen.
Das sind Menschen, die bewusst auf einen Samstagnachmittag einkaufen gehen und sich dann bei mir (oder Kollegen) darüber beschweren, dass es „zu voll“ sei.
Das sind Menschen, die Dienstag um 21.57 (zwei Minuten vor Ladenschluss) den Laden betreten und sich darüber beschweren, dass kein frischer Salat mehr da ist.
Das sind Menschen, die zwei Minuten nach Ladenöffnung den Laden betreten und sich darüber beschweren, dass doch überall noch frische Ware rumsteht.
Das sind Menschen, die bei einem komplett überfüllten Laden und Stress, mit einem Produkt in der Hand, was schon um 30% runtergesetzt wurde auf 1.20€, den Geschäftsführer sprechen wollen, weil sie hoffen, man könnte den Preis noch auf 1.10€ senken (und gleichzeitig Meersalz für 7€ kaufen).
Das sind Menschen, die um 22.10 (also zehn Minuten nach Ladenschluss) als einziger durch den Supermarkt schleichen und sich alle Zeit der Welt lassen bei der Überlegung, ob sie nun Apfel- oder Orangensaft kaufen, während alle Mitarbeiter nur auf sie warten.
Das sind Menschen, die z.B. eine Hautcreme für 2€ hochalten und vom Supermarktpersonal wissen möchte, was da exakt (!) genau alles drin ist und weil das schwerlich jemand wissen kann, der für den Mindestlohn Regale auffüllt, werden sie erbost und beleidigend.
Beleidigen und Anzicken sind sowieso an der Tagesordnung. Es vergeht nicht ein Tag, an dem man nicht von einem wildfremden gehört hat „Na, was ist das denn für ein SCH*** hier!“, „Was machen sie hier überhaupt?!“ (nachdem man auf einen Samstag eine 10 Stunden Schicht runtergerissen hat), oder mein Liebling: „Na, dann komme ich nie wieder!“, „Geh ich halt zu ***“, oder „Das ist echt schlecht hier.“ – Ich weiß nie was das soll. Denken die echt, dass durch ihren 12.50€ Einkauf nun ein kompletter Laden finanziert wird und ihre Abwesenheit ihn dann in den Ruin treibt?...
Und das alles dann meistens wegen solch Sachen, dass z.B. eine gewisse Biersorte gerade leider ausverkauft ist (Samstag um 21 Uhr) und sie nun eine andere (von den ingesamt über 40...) "nehmen müssen"...

Vor allem: Das sind Menschen, die kein „Hallo“, „Guten Tag“, oder „Entschuldigung?“ kennen. Manchmal werde ich einfach nur aus dem Nichts spontan angeschrien „Salz!“. Worauf ich dann antworte: „Wie bitte?“ „SALZ!“.
Neuerdings erwidere ich jede spontane „Frage“ mit einem Blick in die Augen, netten Lächeln und „Guten Tag erst mal“, was in 95% der Fällen dazu führt, dass die Leute sich ertappt fühlen und entschuldigen, bzw. bemerken dass sie was vergessen haben.

Diese Menschen sind (meiner Beobachtung nach) vor allem etwas „älter“, also so zwischen 45-65.
Ich verstehe es halt nicht. Das sind nur meine Beobachtungen, aber ich bin mir ziemlich sicher, bzw. habe von Bekannten schon Berichte gehört, dass das in vielen anderen Branchen auch so ist.
Ich frag mich immer, ob es diesen Menschen zu gut geht? Ich meine, ganz objektiv gesehen: Wir leben im Jahr 2016 in Deutschland. Hier kann man Dienstag Nachts um 21.45 noch einkaufen gehen und bekommt 10 verschiedene Sorten Frischkäse…aber dann wird sich darüber beschwert, dass es nicht 11 sind.

Ich versteh halt einfach die Herangehensweise nicht. „Kunde ist König“, aber nicht wenn er sich wie Pöbel benimmt.

Natürlich sind das nur Ausnahmen. Ca. 80% der Leute sind „normal“ oder sogar freundlich. Nur bleiben diese 20% und ich begreif es halt einfach nicht, was die sich denken

In diesem Sinne, falls ihr das nächste mal einen zu langsamen Kassierer anpöbelt – denkt an mich

hoefti

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PIcasso1989

Sehr vergnüglich zu lesen.
Und teilweise mit meinen Beobachtungen übereinstimmend.

Aber wen wunderts. Es passt in das Menschenbild, das auch im LT Threadauf, Threadab gepredigt wird: Kümmere dich um dich, sei dir selbst der nächste, mach, was dir gut tut.

In einer Welt, die den geistigen Manchester-Kapitalismus (wieder) zum Idol erhoben hat und, bigotter Weise, permanent das Gegenteil im Sinn zu haben vorgibt (Thema "Flüchtlinge" z.B.), wundert mich das gar nicht. Es passt.

dear_ly

Schöner Bericht. Ging mir, als ich in der Branche gearbeitet habe genauso. Ich finde es immer lustig, dass sich ältere Menschen über die angeblich unfreundliche Jugend beschweren.
Dabei ist meine Erfahrung (auch heute noch, wenn ich andere Kunden erlebe): Die unverschämtesten Kunden sind eigentlich fast immer ältere Leute, die glauben aufgrund ihres Alters mehr Rechte zu haben und die wichtigeren Kunden zu sein oder Eltern (bevorzugt Mütter mit kleineren Kindern) die meinen wegen ihrer Kinder bevorzugte Sonderbehandlung verdient zu haben.

Time2bcool

@Paul: Du lieferst hier fast eine Steilvorlage für eine Persiflage, wo man das von dir Geschriebene nehmen könnte und so umdrehen, bis dein Eigenanteil klar wird und dich solange mit deinen eigenen Zitaten zu widerlegen und auseinander zu pflücken, bis du einsiehst, dass du der Täter bist und die Kunden unschuldige Opfer.

Als Schülerin habe ich auch mal eine kurze Zeit im Supermarkt gejobbt. In Österreich ist es noch nicht ganz so krass, aber ich kann's mir bildlich vorstellen.

Hektik und Zeitdruck fördern Arroganz und Ellenbogenmentalität; die Kunden sind außerdem irgendwie immer unter Druck und Stress. Und deine Altersgruppe (45-65) ist auch unzufrieden, weil sich vieles verändert hat und einkaufen ungemütlicher geworden ist. Zugunsten eines größeren Sortiments sind die vorrätigen Mengen kleiner geworden (wg. Kostenoptimierung oft auch die Lagerfläche) und anstatt des vertrauten Stammpersonals gibt es ständig wechselnde Aushilfen, mit denen man fremdelt und wo man in dieser kurzen Interaktionsspanne kaum auf Austausch von Freundlichkeiten eingestimmt ist - außer die netten Kunden mit den ohnehin guten Umgangsformen.

Zunehmende Anonymität und der gesteigerte "Haben- und Nehmen-Modus" (Google-Mentalität ), potenziert mit Zeitdruck

paul258

Das verstehe ich nicht.
Ich lass mir ja, meiner Meinung nach, nichts zu Schulden kommen. Selbst wenn jemand extrem unhöflich ist, bleibe ich ständig nett, weil ich mich einfach nicht auf so ein Niveau herablassen möchte.
Die Gründe, die du aufgezählt hast, mögen ja alle stimmen – nur warum denken die Menschen dann nicht weiter und lassen ihren Frust bei denen raus, die dafür verantwortlich sind? Wenn der Staat die Benzinsteuer erhört, bringt es doch nichts den Tankwart anzupöbeln.
Wenn im Einzelhandel jeder immer alles günstiger und billiger haben möchte (man vergleiche mal die Lebensmittelpreise mit Frankreich!), dann ist doch klar, dass irgendwo gespart werden muss.

Und mal ganz ehrlich: Jeder hat mal Zeitdruck usw. Dennoch pöbelt nicht jeder deshalb fremde Menschen an.
Ich denke eher, dass das hat etwas mit dem Charakter zu tun hat, da viele (scheinbar) denken, sie wären in einer gewissen „Machtposition“ (Wie schon gesagt: Kunde ist König) und dann greift wieder das alte Lincoln Zitat: „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“
(Das sie eigentlich gar keine „Macht“ haben, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.)

Time2bcool

Sorry, war nur Spaß. Jeder kennt die von dir beschriebene, ätzende Situation, und jeder würde es hassen! Ich fand die Idee plötzlich lustig, die Schilderung in bekannter LT-Manier zu deinen Ungunsten umzudrehen. Übermut, entschuldige. Ich glaube dir sowieso jedes Wort.

Time2bcool

Ich denke auch, es ist das Ego. Besonders, wenn es, wie von dir beschrieben, ein gehobener kulinarischer Tempel ist, bzw. gehobene Kundschaft, kommen die oft mit dem Anspruch, dass sie endlich mal alles nach ihren Wünschen vorfinden möchten, ohne selbst die geringsten Abstriche machen zu müssen. Eine Art Wellness und Entspannung, wo es nur um sie selbst geht. Vielleicht gerade deshalb, weil sie tagsüber oder im Beruf besonders viel schleimen und katzbuckeln müssen.

Aggressionsverschiebung. Und Arroganz.

Glückliche Leute benehmen sich anders.