GreenTara

Alles in allem muss ich ihm viel hoch anrechnen: Er geht mit mir zu Paartherapie und ist hoch motiviert, dass wir unsere Probleme angehen. Ich habe ihn wirklich respektlos behandelt. Ich schäme mich dafür, aber das hat sich über die Wochen so aufgeschaukelt. Er hätte mich auch verlassen können.
Naja, es ging schon 2 Wochen, aber er hat sie nicht zum Essen oder ins Kino ausgeführt, ihr keine Blumen geschenkt etc. Es ist mehr so ein Zwischending aus "Ausrutscher" und "Affäre"

gastlovetalk

Naja, ich meine das so - was heisst fuer Dich "genug liebt" ? Darueber will cih Dich eigentlich zum Sprechen und/oder Nachdenken bringen.

Man kann Liebe ja nicht messen oder wiegen.
Und man weiss nicht, wieviel fuer jeden Einzelnen von uns "genug" heisst.

Und auf der anderen Seite sehe ich es so: so wie Du Deinen Mann schilderst, der geht nicht einfach so fremd. Da muss bei ihm schon Einiges schief und verschoben gewesen sein. Er muss sich unwohl gefuehlt haben. Kannst DU Mitleid fuer ihn empfinden? Oder wird das durch Hass, Eifersucht, Verletztheit komplett ueberspielt?

GreenTara

Ja genau so beschreibt er es auch! Deswegen will ich ihn ja nicht verlassen - weil ich meinen Anteil sehe! Ich bin nur so schrecklich eifersüchtig und ich habe Angst, dass seine Darstellungen sehr "beschönigt" sind. Ich habe Angst, dass er es nochmal macht. Dass sie ihm vielleicht doch mehr bedeutet hat...

GreenTara

Hass, Eifersucht und Verletzlichkeit ist sehr stark vorhanden. Aber ich empfinde auch Mitleid (eher Mitgefühl). Vielen Dank! Du hast mir hier wirklich sehr geholfen!

gastlovetalk

Glaubst Du, er tut das fuer Dich? Oder tut er es fuer sich?

Schon vor dem Betrug, oder ?

Kann er das nicht noch immer?
Besitzt Du ihn etwa oder hast ihm Fesseln angelegt?
Auch verheiratet ist er ja nicht mit Dir, er muesste noch nicht mal ein Trennungsjahr abwarten oder zu einem Standesamt oder Anwalt gehen.

Er verlaesst Dich aber nicht, und das ist ja wohl deswegen, weil Du ihm etwas wert bist, weil er mit Dir zusammen sein will. Und nicht mit irgendwem sonst.

Er liess den Ausrutscher nicht zur Affaere werden. Mit der Formulierung einverstanden?

GreenTara

Mit der Formulierung glücklich!

Natürlich gehört er mir nicht - ich meine nur, ich kann auch dankbar dafür sein, dass er mich nicht einfach verlassen hat, als er eine andere kennengelernt hat. Auch er gibt mir eine Chance! Das sehe ich jetzt so! Ja, ich habe ihn vor dem Betrug respektlos behandelt. Im Streit gesagt, dass er kein Mann ist und ähnliches *schäm*

gastlovetalk

Das tut leider unheimlich weh und in der Verzweiflung sieht die Idee, einen Gegenbeweis anfuehren zu koennen, ploetzlich fast wie eine Rettungsinsel aus.

Was hat Dich denn so unzufrieden mit ihm gemacht, dass Du ihn mit Worten so traktiert und entmaennlicht hast?

Findest Du sein jetziges Verhalten auch unmaennlich?

Oder ist es nicht ein Versuch, Veranwortung fuer sein eigenes Verhalten zu uebernehmen und auch gleichzeitig Fuersorge, Obhut Dir gegenueber zu leisten?

gastlovetalk

Ich moechte Dir auch etwas ueber Streit sagen.

Man sollte nie ueber 15 Minuten Streiten. Am Ende des Streites duerfen die beiden Streitpersonen auseinandergehen, jeder macht was er moechte, keine Vorwuerfe.

Und nicht mehr als einmal pro Tag. Die Eskalation der Gefuehle ist sonst einfach zu stark.

Diese drastischen Sache die Du gesagt hast, sind sicher nicht ohne Vorlauf rausgesprudelt.

leonora

Ich denke, diese Punkte haben mit einem einzigen Punkt zu tun, ich drücke es mal überspitzt aus

dass du eben keine Göttin bist, sondern "nur" ein Mensch
und er ist ein eigenständiger Mensch, den du nicht kontrollieren kannst in Gedanken und im Handeln, kein abhängiges Wesen, dass gar keine eigenständigen Handlungen ohne dich machen kann und keine unabhängigen Gedanken und Gefühle haben kann

kurz, die ganze Sache hat dich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Er hatte lange deine Zickereien mitgemacht, das hat vermutlich dieses "Ich bin eine Göttin" in dir gefördert

und jetzt ist dise Gefühlsblase geplatzt.

Nur, dieser ganz eigenständig denken und fühlende Mensch ist bei DIR. Er arbeitet mit DIR an der Beziehung. Es tut IHM leid, ganz eigenständig. Er möchte mit DIR zusammensein.

Das ist zwar jetzt nicht das gleiche, als wenn er für und wegen der Macht einer Göttin was macht, dafür aber etwas wesentlich Realeres, auf das man aufbauen kann.

Kannst du dich von dem Wunsch, eine Göttin für ihn zu sein trennen und ihm dafür von Mensch zu Mensch begenen?

Dann hören diese "Schmerzen" recht schnell auf

und überleg mal, sind deine Szenen in der letzten Zeit nicht auch eher die Rachegöttin, statt der Mensch, der die Beziehung weiterführen will?

gastlovetalk

Die / der Einzige sein wollen, sein muessen - das ist auch etwas Illusionaeres.

Nein, ich moechte den Gedanken nicht voellig schlecht machen. Er ist auch sympathisch, nicht NUR illusionaer.

Aber man darf sich an diesem Gedanken nicht zu SEHR festhalten, finde ich. Man engt sich und den Partner damit zu sehr ein. Man hoert auch auf zu spueren, dass man eigentlich immerzu um den Partner werben muss.

Nicht nur er, sondern auch Du.

Und man erzeugt auch Aengste.

Mit der Partnerfindung das ist m.E. ein bisschen so wie mit einer Sanduhr. Oben breit, dann in der Mitte ein ganz enges Schlupfloch, wo nur zwei Koerner gleichzeitig durchpassen und unten wieder breit.


Zuerst liegen die Sandkoerner oben, wo es breit ist. Keiner kann jetzt schon sagen, welche beiden Sandkoerner gemeinsam durchfallen werden. Es kommen sozusagen an der breiten Stelle der Sanduhr noch alle Paarungen in Frage. Je mehr der Sand runterrutscht, umso enger wird aber der Kreis derjenigen, aus denen die Wahl dann tatsaechlich stattfindet.

Schliesslich kommt der grosse Moment. Zwei menschen waehlen sich gegenseitig aus und springen gemeinsam durch Engstelle. Sie halten sich fuer den grossen Sprung an der Hand und wir alle hoffen, dass diese Haende beieinander bleiben werden, dass die Kraft der Arme und Haende reicht.

In diesem einen Moment, wenn die Bindung beginnt und die Beziehung entsteht, kommt es nur auf diese beiden Menschen an, alle anderen sind ausserhalb des Einflussbereichs.

Sie landen unten im Glas. Weil sie sich an den Haenden hielten, liegen sie in der neuen Welt, die sie um sich sehen, direkt nebeneinander. Jetzt kommt wieder das Umfeld in den Blick: ging es vorher um die PartnerWAHL, ist jetzt wieder die groessere Welt, das Beziehungsumfeld im Blick.

Wie gelingt es dem Paar, mit anderen Menschen und neuen Anforderungen umzugehen? Freunde, Verwandte, Vermieter, Kollegen, Unbekannte? Neue Wohnorte, Berufe, Arbeitslosigkeit, Rueckschlaege, vielleicht ein Kind oder zwei? Wird die Bindung halten, auch wenn mehr und mehr Gesichtspunkte in den Blick geraten, das Glas sich Schicht fuer Schicht wieder erweitert? wenn Drucksituationen oder Fehltritte auftreten?

Als ihr noch oben in der Sanduhr wart, sind sicher fuer jeden von Euch mehrere andere Menschen in Frage gekommen, mit denen jeder von Euch auch anders als mit Eurer Wahl haette gluecklich werden koennen. Man muss davon nicht wissen, man muss und wird im Normalfall auch nicht wissen, wer das ist, aber es gibt noch andere Menschen auf der Welt, fuer Dich und fuer ihn.

Aber durch die Zeit, durch Eure Entscheidungen aber auch durch ein paar Zufaelle seid gerade ihr beide zusammengekommen und fuer eine kurze Phase im Leben sind alle anderen aus dem Blick geraten. Das darf man jetzt als Geschenk annehmen.

Aber man soll es nicht als Vorrecht aufnehmen: "Ich bin die Einzige fuer Dich, los - mit der Peitsche knall - jetzt werd mit mir gluecklich".

Oder anders ausgedrueckt - haettest DU gerne einen Mann, der mit keiner anderen haette gluecklich werden koennen? Waerest DU gerne eine Frau, die einzig und allein nur einen Mann auf der Welt gluecklich machen kann?

oder ist es nicht doch besser, statt so einer naturgesetzlichen oder schicksalhaften Paarung, die fuer beide Seiten immer alternativlos war und immer alternativlos bleiben wird, eine von beiden Seiten bewusst aufrechterhaltene Paarbeziehung zu leben?