Menola

Ich weiß ja nicht, wie alt deine Eltern sind, aber mit zunehmenden Alter verkehren sich die Rollen. Als erwachsenes Kind wirst du in die Rolle der Mutter gedrängt, die sich kümmern muss.

Man kann ja nie voraussehen, wie man selbst im Alter wird, aber es ist schon erschreckend, zu sehen, wie man abbaut, wie sehr man dann auf Hilfe von außen angewiesen ist.

Das lässt einen eben nicht kalt - und vielleicht gehört es zum Kreislauf des Lebens, dass man dann eben über seinen Schatten springt und *da* ist.

Estellenia

Nun ja. Ich kenne das Gefühl von "das sind meine Eltern...ich kann die doch nicht einfach ignorieren oder ihrem Schicksal überlassen!"
Aber nicht von innen heraus, sondern anerzogen/eingetrichtert...was auch immer.
Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich der Meinung, dass ich mehr als genug für meine Eltern geleistet habe und endlich mal mein eigenes Leben leben möchte.

Ich habe im Alter von 10 Jahren meiner Mutter den Alk besorgt und dem Vater zu essen gekocht, meine kleine schwester getröstet und mich der Alltagsstreitereien angenommen. mit 12 Jahren habe ich meinen Eltern beim Ausfüllen der Steuererklärung geholfen und im Teenageralter habe ich auf Ausgang/Kino usw verzichtet weil ich Angst hatte, meine Eltern bringen sich in der Zeit gegenseitig um.
Co-Abhängigkeit pur. Aber was will man einem Kind vorwerfen können? Ich kannte nichts anderes, die Rollenverteilung ist irgendwie so entstanden und es war normal für mich.
Heute weiss ich, dass es niemals hätte meine Aufgabe sein sollen, das alles zu tun.
Meine Eltern hätten die Erwachsenen sein sollen. Sie waren es mir nicht und ich denke nicht, dass daher jemand von mir erwarten kann, dass ich im Alter auch noch (wieder) die Rolle der helfenden Tochter übernehmen soll.

Meriana

Nein, meine Eltern sind noch lange nicht so alt, dass dieser pflegerische Aspekt zur Zeit überhaupt Thema wäre, außer sie würden jetzt krank.
Es geht mir halt auch um solche Dinge wie den Kontakt halten.
Im Moment ist es so, dass ich es tu, weil.. ja das ist die Frage: Warum? Mittlerweile wohl wirklich aus diesem Gefühl heraus, dass ich es sollte, tun müsste.. Irgendwie sowas.
Aber zurück kommt nichts - nicht mal die Frage, wie es MIR denn eigentlich geht, was ich mache... Ich will keine Probleme abladen oder sowas, aber naja ich rufe dort an und bin danach bestens im Bilde über das x-te neue Auto meines ach so erfolgreichen Bruders und über den gebuchten Urlaub meiner 'kleinen' Schwester, über Mutters Schürfwunde am Schienbein und Vaters Ohrenschmerzen, das Problem mit dem Schloss an der Kellertreppe und Omas zunehmender Tüdeligkeit. Und bevor ich überhaupt Gelegenheit hab mal was von mir zu erzählen ist das Gespräch beendet weil da noch Wäsche in der Maschine ist, die aufgehängt werden muss oder ähnlich absolut wichtige und unaufschiebbare Dinge. Es interessiert sie einfach nicht - ICH interessiere sie nicht. Und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit Monaten. Auch ein Brief in dem ich das alles mal aufgeschrieben hab, weil ich ja sonst nie zu Wort komme hat nichts verändert.

Um mir das nicht immer wieder anzutun und irgendwann da mal meine Ruhe zu finden, überlege ich ernsthaft den Kontakt komplett abzubrechen und stehe mir mit dieser beschissenen anerzogenen Moral selbst im Weg. Nur hab ich auch irgendwie sehr wenig Lust mich ständig selbst zu geißeln.

Ach ich weiß es einfach nicht..

Menola

@ Meri

Du hast jedes Recht der Welt, den Kontakt abzubrechen.

Ich habe das selbst mal gemacht, für zwei Jahre. Die Zeit war auch nötig und hat viel gebracht.

Meriana

Eigentlich ist es ja nicht das was ich möchte.
Aber irgendwo muss ich ja auch sehen wo ich bleibe und diese Situation bereitet mir tatsächlich Magenschmerzen. Nicht nur im übertragenen, sondern im wörtlichen Sinne.

Menola

Wenn man selbst nicht wahrgenommen wird, sondern als Klagemauer für xy und Nachbars Lumpi herhalten muss, macht das eben auch Magenschmerzen.

Du musst den Kontakt ja nicht abbrechen, aber suche ihn eben nur dann, wenn du es wirklich willst, nicht weil du denkst, du musst.

Menola

Nein, das musst du wirklich nicht.Du kannst vielmehr stolz darauf sein, dass du es trotz deiner Eltern gepackt hast

Meriana

Ich bin ja nicht nur Klagemauer. Es vergeht einfach überhaupt kein Gespräch, ohne dass mir unter die Nase gehalten wird, wie toll meine Geschwister (Cousinen, Cousins..) sind. Und dann gleichzeitig jedesmal zu spüren, wie egal ich bin... das reibt mich auf. Viel mehr als ich mir das wahrscheinlich bisher selbst eingestehen wollte.

Ach das ist doch alles Scheiße.

Menola

Du musst dir ja nicht jeden Schuh anziehen, den man dir hinstellt

Meriana

Ok, um noch mal etwas allgemeiner zu werden, damit ich klarer denken kann.

Da stehen sie nun, drei Erwachsene und haben sich anscheinend nichts mehr zu sagen. Früher, als einer von ihnen noch unmündig war, haben sich die anderen beiden um ihn gekümmert, jetzt ist er ihnen egal.
Ist er ihnen irgendetwas schuldig?

Ich weiß es nicht und dreh mich im Kreis.
Darum geh ich wohl erstmal ins Bett. Gute Nacht.