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Alt 06.12.2012, 14:16   #1
TanjasWelt
Member
 
Registriert seit: 02/2011
Beiträge: 117
The box - Interpretation

Neulich habe ich "The Box" von Richard Kelly gesehen - ein Spitzenfilm und eine Empfehlung an alle, die auf Donny Darko standen (gleicher Regisseur, ähnliche Machart)!

Und schon versuche ich es mit einer Interpretatio - vorsicht Spoiler!!!

Ich habe "The box" zweimal hintereinander gesehen und dann bestimmte Stellen immer wieder, so dass ich die Szenen sehr genau kenne.

Ich interpretiere das folgendermaßen:

1.) Der Clou der Kausalität:

- Zunächst einmal ist mir aufgefallen, dass es heißt, wenn einer den Knopf drückt, stirbt ein Mensch. Am Anfang klingt das wie ein einfacher Mechanismus: Du drückst den Knopf, und weil Du den Knopf drückst, stirbt jemand. Gegen Ende des Filmes sehen wir aber, dass sehr viel mehr dahinter steckt. Wir sehen, dass der Mann eine ENTSCHEIDUNG trifft, sein Kind behindert aufwachsen zu sehen oder seine Frau zu erschießen.

Sprich: Die Kausalität wird hier umgedreht. Es gilt: Drückt jemand den Knopf, stirbt jemand - und es gilt gleichsam: Drückt der Mann ab, drückt jemand den Knopf.

Fazit: Die Kausalität funktioniert in beide Richtungen. Mit der Entscheidung, seine Frau zu töten, lässt der Mann jemanden auf den Knopf drücken. Würde er seine Frau nicht umbringen, würde der Knopf auch nicht betätigt werden.

Zeichen dafür: Es gibt viele Zeichen dafür, dass der Mann hier am Ende nochmal getestet wird. Sein Kollege sagt ihm, dass das, was mit ihm passiert, sehr wichtig ist. Die Babysitterin sagt ihm, dass er der einzige ist, der die Familie retten kann (der könnte der Retter sein, den er im Spiegel sieht). Der Spiegel seht hier für Abstraktion, eine objektive, erhabene Sichtweise auf sich selber (Erklärung weiter unten).

2.) Die moralische Implikation:

Was bedeutet das aber? Das bedeutet, dass der Mann bzw. das Paar am Ende nochmal geprüft wird, ähnlich wie zu Beginn durch den Knopf. Es geht darum, dass man keine egoistische Entscheidung trifft (Der Doc sagt es ja: "Je weniger den Knopf drücken, desto wahrscheinlicher besteht die Menschheit den Test." Davon kann man logischerweise ableiten: "Je weniger ihre Frau in dieser Entscheidungssituation erschießen, desto wahrscheinlicher besteht die Menschheit den Test.").

Das Erschießen der Frau mag für uns Zuschauer zunächst nicht egoistisch, ja sogar selbstlos, aus Kinderliebe erscheinen. Seine Frau bittet ihn auch noch darum, sie zu erschießen. Er kann nicht, will nicht, tut es am Ende doch. Inmitten des ganzen Spektakels vergisst diese Familie aber (wie auch schon zu Beginn) die Konsequenzen, weil sie egozentrisch mit sich selbst beschäftigt ist: Erschießt er die Frau, drückt irgendwo jemand auf den Knopf und der ganze Horror und Alptraum beginnt für irgendeine Familie irgendwo auf der Welt von Vorne. Würde der Mann sich selber wie in einem Spiegel sehen (erhaben und objektiv, halt losgelöst von sich selber), so würde er nicht schießen, weil er die KOMPLETTE SITUATION erfassen würde und die andere Familie schonen würde.

Darüber hinaus: Das Kind wäre behindert - aber dennoch wäre das Leben für die komplette Familie lebenswert. Natürlich ist es ein hartes Schicksal, ein behindertes Kind zu haben, aber es ist nicht das Ende der Welt... Die Familie könnte froh gewesen sein, dass sie sich überhaupt haben. Aber durch das starke Konsumverhalten der Familie wird schon von Anfang an angedeutet, dass die Familie einfach nicht zufrieden sein WILL. Ist Euch das auch aufgefallen? Sie ist Lehrerin, er arbeitet als Wissenschaftler bei der NASA und fährt einen Raketenwagen. Und trotzdem jammern sie über finanzielle Probleme? Kein Wunder, dass die den Knopf zu Beginn und am Ende den Abzug drücken!!!

Man ist als Zuschauer zunächst so gebannt, dass man diesen zweiten Test gar nicht bewusst wahrnimmt. Dabei sieht man auch filmisch sehr deutlich, wie der Schuss die Situation ins Rollen bringt: Eine fremde Frau drückt auf den Knopf und wird von dem Entstellten heimgesucht. Der Fluch wird sich nun auf diese Familie legen.

Der Film zeigt hier eindrucksvoll, wie egoistisch auch wir Zuschauer eigentlich denken. Auf diesen "Clou der Kausalität" kommt man nämlich gewiss erst nach intensivem Überlegen und wiederholtem Schauen.

3.) Zwei identische Tests

Im Prinzip haben wir es also mit zwei Tests zu tun, die das gleiche Ergebnis gebracht haben. Fazit: Der Mensch lernt aus seinen Fehlern nicht. So, wie zu Beginn die Familie nicht an die Konsequenzen gedacht hat, als der Knopf gedrückt wurde, so wenig tat sie es am Ende.

4.) Ein dritter Test?

In der Mitte des Filmes scheint es einen dritten Test zu geben, als er auf die Frau des Entstellten trifft und zwischen den drei Wegen offenbar wählen soll - und als sie auf den Entstellten trifft und gefragt wird, was sie zuerst empfunden hat, als sie ihn gesehen hat.

Sie sagt, sie habe Liebe empfunden. Da nimmt der Entstellte sie bei der Hand und lässt sie nach Hause zurückkehren. Genauso wird auch der Mann geprüft, wählt einen Gang und kommt nach Hause zurück.

Meiner Meinung nach hat sie diesen "Zwischentest" bestanden, er nicht.

5.) Ihr Test

Sie hat zwar am Anfang den Knopf gedrückt, zeigt aber aufrichtige Reue. Sie empfindet mit dem Entstellten kein Mitleid, sondern echte Empathie. Sie "fühlt mit ihm mit". So, wie der Entstellte daraufhin reagiert, besteht sie den Test dadurch. Er ist fasziniert von dem Talent der Spezies Mensch, mit anderen Wesen mitzufühlen und gibt ihr dadurch noch einmal die Chance, ihren Fehler von Beginn (Drücken des Knopfes) zu korrigieren. Außerdem macht sie hier Hoffnung darauf, ihr Kind später auch behindert anzunehmen. Wenn sie die Behinderung bzw. Entstellung eines Fremden TATSÄCHLICH "liebt", wird sie auch ihr behindertes Kind so lieben, wie es ist ... weit gefehlt. Die gute Frau denkt am Ende gar nicht erst darüber nach, ob sie ihr Kind mit den Behinderungen annehmen sollte.

Er besteht den Test nicht. Eigentlich ist er relativ sauber, weil er den Knopf zu Beginn nicht gedrückt hat - ja, er zuckt sogar zusammen, als seine Frau den Knopf drückt. Aber er hätte etwas tun können: Er hätte sie dazu bringen sollen, NICHT den Knopf zu drücken. Deswegen ist sein Test in der Bibliothek ungleich leichter zu bestehen, aber er versagt.

Drei Wasskorridore stehen vor ihm. Sie sehen identisch aus - und ich glaube, sie haben auch alle die gleiche Funktion: Sie analysieren den Mann, legen den Pfad für ihn fest, programmieren ihn tatsächlich (so wie der Doc sagt, dass die Box neu programmiert wird). Mit Eintritt in den Korridor ist klar, dass der Mann seine Frau erschießen wird und das nächste Paar auf den Knopf drücken lassen wird. Denn es steht ja in dem Handbuch, dass der Pfad des Individuums festgelegt wird durch Eintritt in den Wassersarg.

Was wäre die richtige Handlung gewesen? Die richtige Handlung wäre gewesen, zu HINTERFRAGEN oder sich zu weigern. Die Frau des Entstellten sagt ihm: "Falsche Wahl - ewige Verdammnis, Weigerung - ewige Verdammnis."

Ja, mein Gott, was ist das für eine Moral und für ein Test? Die religiösen Untertöne machen´s überdeutlich: Hier folgt jemand einfach nur einer Maßgabe der Moral, er handelt nicht aus sich heraus richtig oder falsch, er handelt fast willkürlich, macht das nach, was er sieht (die Zwei). Er immitiert nur, überlegt nicht über Richtig oder Falsch oder Konsequenzen - er handelt einfach nur. Hier hätte er aufbegehren, sich weigern, hinterfragen sollen... Das ist das moralische Prinzip der Religionen bzw. der Konflikt zwischen Moral und Ethik. Religiöse Anspielungen gibt es in diesem Raum überall... der Mann entscheidet sich moralisch religiös und nicht ethisch... und deswegen fällt er durch den Test durch.

Also tritt er in einen Korridor ein und beschreitet den Weg der ewigen Verdammnis.

Zeichen dafür: Religiöse Motive an der Wand, religiöses Motiv des "geteilten Wassers", Erläuterungen im Handbuch. Die Frau des Entstellten sagt ihm, dass es "drei Wege" gebe. Diese "drei Wege" können aber auch sein: 1.) Der Weg durch IRGENDEINEN Wassersarg 2.) Hinterfragen der Situation 3.) Verweigerung.

6.) Die ewige Verdammnis...

... ist, wenn Du der Mörder Deiner Frau bist und Dein Kind mit eigenen Augen sehen kann, wie Du abgeführt wirst. Mehr ist dazu nicht zu sagen.



- So, sehr viel Text ... Ich hoffe, hier ist der ein oder andere, der den Film auch gesehen hat. Würde mich freuen, wenn wir über meine Interpretation diskutieren würden.
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Alt 06.12.2012, 14:16 #00
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