TanjasWelt

Hi all,

ich glaube, es wurde schon ein wenig zu Martyrs geschrieben, aber ich denke, der Film ist derart kontrovers, dass man ruhig einen eigenen Thread dafür aufmachen kann. Wer hat ihn außer mir noch gesehen?

Eins vorweg: Ich finde den Hype um den "härtesten Horrorfilm aller Zeiten", in dem man "erstmalig alles sieht" ein wenig überzogen. Martyrs ist sicherlich bitter und spart auch Gewaltdarstellungen nicht gerade aus. Aber meiner Meinung nach sieht man beispielsweise bei Saw 3 sehr viel mehr Innereien. An einigen Szenen wird sogar dezent weggeschwenkt oder weggeschnitten, worauf sich dann die Gewalt im Kopf des Zuschauers abspielt - beispielsweise bei der Häutung oder bei einigen Prügelszenen, bei denen der Schläger das Opfer mit seinem Körper vor der Kamera verdeckt.

Was Martyrs härter macht als den "durchschnittlichen" Horror ist die Kälte und Systematik der Gewalt. Normalerweise haben ja Folterhorrors etwas chaotisches, unstrukturiertes - man denke nur an den völlig debilen Leatherface... Bei Martyrs fängt es ähnlich an, aber mit der Länge des Filmes steigert sich die Gewalt. Doch statt "chaotischer" zu werden, wird alles strukturierter, sauberer, ja, am Ende nahezu steril. Der Film ist auf eine neue Weise gnadenlos und berechenbar im positiven Sinn. So ein bisschen erinnert mich das an alte Tragödien, wo man relativ früh das Gefühl bekommt, dass die Story kein rosa Butterblumenende nehmen kann... Das ist schon echt krass. Wer allerdings hofft, er sieht Eingeweide und Gewaltdarstellungen, die es vorher noch nie gegeben hat, der wird sicherlich enttäuscht sein.

In seiner Gnadenlosigkeit ist Martyrs allerdings tatsächlich beeindruckend (wenn man dieses Wort dafür überhaupt nutzen kann), ich meine, soetwas in der Richtung zuletzt bei dem sehr genialen "the descent" gesehen zu haben.

Ich fand den Film insgesamt sehr gut. Nicht genial, aber er ging mir sehr nahe - daher schreibe ich hier auch so ausführlich. Manchmal vergisst man ja direkt am nächsten Morgen, dass man am Abend zuvor einen Film gesehen hat. Das geht mir bei Martyrs deutlich nicht so. Er ist sehr präsent und bringt mich immer wieder zum Überlegen und Nachdenken - insbesondere die Schlusseinstellung hat sich eingebrannt.

Faszinierend ist der dramaturgische Aufbau. Der Zuschauer wird relativ raffiniert von einer Erwartungshaltung zur nächsten geführt - nur, um jedes Mal etwas neues zu entdecken, womit er so nicht gerechnet hat. Das hat mich sehr an Psycho erinnert, bei dem Hitchcock ja auch gerade damit gespielt hat, Klischees und klassische Filmdramaturgie auf den Kopf zu stellen. Martyrs macht das sehr konsequent, der Stil des Filmes ändert sich mindestens dreimal komplett.

*SPOILER*
Was zu Beginn aussieht wie ein klassischer Asia-Horror á la Ringu wird irgendwann zum Survival-Horror, dann zum Folterporno und schließlich irgendwas neues, was ich nicht so recht einordnen kann.

Das brutale Ende hat eine Ästhetik und Schönheit, die man als Zuschauer eigentlich gar nicht entdecken will, aber man kommt nicht drum herum, es sich einzugestehen - wenn man ehrlich ist. Fast ist es, als sei man selbst einer der "Wissenschaftler" und man schaut mit fasziniertem Auge auf die irreale Ästhetik des Martyriums von Anna. Die letzte Einstellung ist in ihrer Schönheit wohl kaum zu überbieten. Zu gerne wüsste man, was Anna gerade sieht, in welcher Welt sie sich befindet - offenbar ist sie noch nicht tot (Bei Wikipedia steht in der Handlung, wir sehen ihren toten Körper am Ende. Allerdings zucken die Augen noch ein wenig. Außerdem ergibt es keinen Sinn vor dem Hintergrund der Handlung, dass sie am Ende stirbt. Denn es geht ja gerade darum, dass sie eine enorme Widerstandskraft durch die Losgelöstheit vom dem Irdischen bekommt.).

*SPOILERENDE*

Ich bin mal gespannt, welche Gedanken Euch der Film so macht...

hoefti

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Techno94

Korrigiere mich, ist das der französische Folterfilm mit der Nazifamilie?

Sam Hayne

Bevor jetzt wieder welche die Welt untergehen sehen:
Der Streifen ist 5 Jahre alt und damit... alter Hut.
Die Folterpornowelle, in der grad die Franzosen 'ne Nische
für sich entdeckt hatten, ist glaub auch vorbei.

Demandred

24.1.2013 Threaderöffnung

Wirklich nen alter Hut...

LoveIsWeird

Falsch, das ist "Frontier(s) - Kennst du deine Schmerzgrenze".

Stimmt.
Stimmt auch. Da kommt nichts mehr.