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Du befindest dich im Forum: Probleme nach der Trennung. Du hast verlassen oder wurdest verlassen. Wie geht es weiter? Wie geht man mit dem Trennungsschmerz um? Gleichgesinnte und Verständnisvolle tauschen sich hier aus und geben Ratschläge für einen Neubeginn. Bitte beachtet, daß es hier um persönliche Probleme geht, bei welchen Hilfe und Ratschläge gefragt sind. Den Finger in die Wunde des Threaderstellers zu legen, trägt nicht zur Problemlösung bei. Wir bitten euch deshalb, hier mit Feingefühl zu agieren.

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Alt 03.07.2017, 02:09   #1
thinkingme
abgemeldet
Ringen um die richtige Einstellung

Liebes Forum!

Ich bin neu hier und jetzt schon dankbar für Eure Gedanken zu meinem Thema.
Nach 16,5 Jahren habe ich mich von meinem Mann getrennt, geschieden sind wir noch nicht. Wir wohnen jetzt knapp 3 Monate auseinander.

Das Problem auf meiner Seite ist, dass mein Mann depressiv ist, gelegentlich verbal rücksichtslos, und dann wieder unheimlich nett. Er ist seit 12 Jahren fast ununterbrochen in Therapie, aber ich habe die Befürchtung, das Ausmass erst jetzt zu begreifen.
Am "Schluss" haben wir aus den Streitereien nicht mehr herausgefunden, die immer initial damit anfingen, dass ich seine manchmal fehlplatzierten Bemerkungen nicht immer akzeptieren konnte. Leider kann ich mit ihm kaum darüber sprechen, da er sich so schnell angegriffen fühlt, dass er auch Tage später nicht aufhören kann, sein Verhalten zu rechtfertigen und meine mangelnde Toleranz zu kritisieren. Der einzig gangbare Weg meinerseits ist nachgeben, und das habe ich eine Weile, etwa 2 Jahre, so getan. Leider hat das dazu geführt, dass ich mich selbst immer schlechter gefühlt habe.
Der Umgang damit, dass es ihm nicht gut geht, war sehr offen. Erhalt sich mir viel anvertraut und ich habe ihn unendlich oft getröstet, versucht ihm Mut zu machen, mich aber auch wirklich für ihn interessiert. Aber ich hatte zunehmend das Problem, dass es für ihn selbstverständlich schien, sich mir "zuzumuten", wenn er lustlos, schlecht gelaunt, niedergeschlagen, vergesslich o.ä. ist. Mir ist völlig klar, dass ein Depressiver das nicht gut steuern kann, mir geht es eher um seine Haltung dazu. Ich hätte mir gewünscht, dass er weiss, dass das für mich eine Anstrengung ist, besonders, nachdem das Thema in den letzten Jahren immer öfter eines wurde. Ich habe aber auch selbst ausgeblendet, wie ernst es ist. Er konnte arbeiten,- wenn er auch bis heute grosse Komplexe hat, sobald es Vorgesetzte oder erfahrener Teamkollegen gibt,- er war immer wieder sehr liebevoll und auch lustig. Phasenweise sportlich und generell dem Leben gegenüber eigentlich positiv eingestellt. Ich dachte immer, wir können alles schaffen, wenn.. Das war das Problem. Das Gute hat sich so lange in die Zukunft verschoben, bis ich auch das nicht mehr gut aushalten konnte.
Im Alltag war er mittel bis sehr wenig präsent. Er vergisst seit ich ihn kenne beinahe täglich entweder Schlüssel, Geldbeutel oder sonstiges, ist schlecht organisiert. Nicht unbedingt mein Problem. Aber ich denke, seine mangelnde Präsenz im Alltag hat vielleicht etwas anderes ausgedrückt, was ich vermisse (Empathie, da wo sie fehlte?), zumindest hat es mich irgendwann wirklich genervt, dass ich ihn immer an alles, aber auch wirklich jede unserer Verabredungen, Vorhaben etc.. erinnern musste. Ich habe mich gefühlt, als würde ich gerade 3 Kinder aufziehen und hatte irgendwann keine Lust mehr, tatsächlich eines zu bekommen. Da er von der Arbeit her grundsätzlich immer gestresst war, habe ich ihm immer mehr Haushalt abgenommen, bis ich zum Schluss beinahe alles gemacht habe. Das entsprach nicht seiner Einstellung, aber für mich war es stressfreier als zu ihm zu sagen, geh bitte einkaufen, wische bitte das Wasser auf, bitte kehre nicht das Katzenstreu unter das Klo sondern sammele es ein..anschliessende Diskussionen oft inklusive.

Alles in allem geht es mir seit der Trennung besser. Vor allem die Konflikte, in denen er irgendwann so weit ging, dass er Gründe für mein Aufzeigen von Grenzen in meiner eigenen angeblichen Empfindlichkeit aufgrund meiner Kindheit (!!) herbeizieht und abgesehen davon ständig behauptet, dies und das hätte er nie gesagt und sich wirklich wenig an gerade geschehenes erinnert, haben mir alle Energie geraubt.
Dem Gegenüber stehen zwei Dinge, die mir Probleme machen: Die guten Zeiten. In denen das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Liebe so stark waren, dass ich dachte, nichts kann das toppen.
Und meine Verwirrung. Kann ich ihm sein Verhalten vorwerfen oder ist das alles "Krankheitsbedingt"? Ich bin durch die vielen Diskussionen so irritiert, dass ich immer erst nach 2 Wochen Funktstille halbwegs zur Ruhe komme.
Die verordne ich mir also gerade und ausserdem versuche ich, nicht zu sehr zu zweifeln,- denke aber viel über die Beziehung nach. Natürlich auch über meinen Anteil. Ich habe ihm wohl zu sehr geholfen, dadurch war er nicht so stark zu eigenem Handeln gezwungen. Das hat eine grosse Stabilität in unsere Beziehung gebracht, die ohne das nicht da war, da er eben oft nicht sehr geistesgegenwärtig ist. Trotzdem war es offensichtlich falsch. Weiterhin habe ich lange nicht für möglich gehalten, dass er so hartnäckig rechtfertigen würde, was er tut,- und zwar alles, was er tut. Das klingt jetzt, als wäre er ein richtiges A*******. Vielleicht habe ich da was verpasst. Andererseits nämlich ist er dann doch derjenige, der jeden Tag wenn wir uns wiedersehen fragt "Wie war Dein Tag?" und sich wirklich alles anhören möchte. Das wiederum finde ich, vor allem nach so einer langen Zeit, nicht selbstverständlich.

Das schlimmste ist, er möchte nun zum Paartherapeuten, und ich habe das Gefühl, ich kann einfach nicht mehr. Er möchte einen Schiedsrichter, der sich seine "Argumente" anhört, die ich so absurd finde, dass ich mich dem im Moment gar nicht mehr ausliefern möchte. Ausserdem hofft er dort "auf ein paar Tips". Vielleicht kann ich rüberbringen, dass mein Problem ist, dass er die ganze Tragweite seines Verhaltens nicht zu begreifen scheint. Wenn er ausfallend wird, versucht er das immer zu rechtfertigen, er schmeisst mit Worten um sich, als hätte er in der anderen Hand einen Radiergummi und ich keine Ohren. In Konflikten denkt er oft laut und versteht überhaupt nicht, dass teilweise gesagtes für mich mehr wiegt als er vielleicht wollte. Weil ich nicht in ihm stecke und nicht weiss, was nur eine flüchtige Idee und was seine Meinung ist.
Einerseits sträubt sich alles in mir, ihm noch weitere Anstrengungen entgegenzubringen, selbst bei einem Paartherapeuten. Andererseits machen die "blöden" guten Erinnerungen und meine anscheinend immer noch vorhandene Liebe zu ihm es schwer, durchzuhalten. Ich wüsste so gerne, dass mein Weg richtig ist, und ich die "Trauer" einfach aushalten muss, anstatt zu zweifeln.

Wer bis hierhin gelesen hat, dem danke ich wirklich von ganzem Herzen. Ein Feedback bedeutet mir etwas und vielleicht kennt ja der ein oder andere eine ähnliche Situation? Was habt ihr gemacht, wie ist es Euch gegangen?

Nochmals, danke vorab!
thinkingme ist offline  
Alt 03.07.2017, 02:09 #00
Administrator
Hallo thinkingme, in jeder Antwort auf deinen Beitrag findest du eine Funktion zum Melden bei Verstössen gegen die Forumsregeln.
Alt 03.07.2017, 06:24   #2
Time2bcool
abgemeldet
Willkommen hier, da hast du dir ja ganz schön etwas von der Seele geschrieben.

Für mich klingt das so, als hätte er 16,5 J. psychische Gewalt auf dich ausgeübt. Und weil die nicht auf den ersten Blick als Gewalt erkennbar ist, hast du sie lange Zeit gar nicht als solche wahrgenommen und nennst es nur "verbal deplaziert", und hast das vielleicht lange mit seiner Therapiewürdigkeit entschuldigt. Das ist eigentlich eine Wahrnehmungsverschiebung, die du vielleicht aufarbeiten solltest. Jetzt hättest du die Gelegenheit dafür, und wahrscheinlich würde dir schnell klar, warum du dich weiterhin von ihm fernhalten solltest.

Denn verbale Attacken sind nur bei Tourette-Syndrom kein persönlicher Angriff (= Gewalt); und dass er sehr wohl auch anders könnte, siehst du daran, dass er sich das beispielsweise bei Amtspersonen oder Vorgesetzten nicht erlauben würde. Das ist ein Beweis dafür, dass seinem Verhalten sehr wohl eine Entscheidung als auch eine Absicht voraus gestellt ist (ganz ehrlich - wenn mir gegenüber ein Partner so einen Ton anschlagen würde, wären mir seine Gründe dafür sch**ßegal).

Es gibt solche launischen, tyrannischen Menschen, und ich kenne ein, zwei davon aus nächster Nähe, die einen in Grund und Boden sabbeln würden, wenn man sie ließe. Häufiges "Vergessen" und scheinbare Ungeschicklichkeit zählen übrigens auch zur psyhischen Gewalt (passive Aggressivität).

Ernsthaft, du hast 16 Jahre psychische Gewalt über dich ergehen lassen. Wenn du jetzt, nach dem du in der Trennungsphase endlich aufatmen kannst, Vermissungsanfälle kriegst, hat das bestimmt auch damit zu tun, dass eine (dadurch) desintegrierte Psyche manchmal glauben könnte, ohne ihren Angreifer fehle ihr etwas Wichtiges. Das ist aber Blödsinn.

Vielmehr dürfte deinem Ex wohl etwas fehlen, nämlich sein Blitzableiter und Ventil. Ich persönlich glaube nicht, dass solche Charaktere sich großartig ändern, aber wenn, dann nur, wenn du von dem Psychokarussell abspringst.

Seine seelischen Abgründe sollten dich nach all den Jahren höchstens noch am Rande interessieren. Google vll mal "psychische Gewalt" oder emotionalen Missbrauch in Beziehungen, dann kommst du schnell drauf, dass du selber jetzt deine Aufmerksamkeit brauchst und dich für dein eigenes Wohlergehen und deine Vorgeschichte im Elternhaus interessieren solltest, die dich dazu gebracht hat, jemanden so lange zu tolerieren, der dich so respektlos behandelt. Und ja, die zeitweise Zuwendung von ihm ist zumindest in den Kriterien gelistet, wie man Kontrolle über den Partner behält, damit er sich weiterhin tyrannisieren lässt.
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Geändert von Time2bcool (03.07.2017 um 06:29 Uhr)
Time2bcool ist offline  
Alt 03.07.2017, 07:03   #3
HW124
 
Registriert seit: 07/2010
Ort: Am Rande der Lüneburger Heide
Beiträge: 11.211
Halte den Kontakt so gering wie möglich und fang endlich wieder an für DICH zu leben!
Sich so viel gefallen zu lassen ist äußerst ungesund!!
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HW124 ist offline  
Alt 03.07.2017, 11:51   #4
thinkingme
abgemeldet
Themenstarter
Vielen Dank, Time2bcool (und auch HW124).

Die Antwort hilft mir sehr weiter, auch wenn es sehr unangenehm ist,- aber ich wusste sofort, dass leider stimmt, was ich lese.
Vermutlich hast Du mir viel Zeit gespart und viele weitere nachdenkliche Nächte. Bzw. kann ich die jetzt über etwas anderes nachdenken.
Über die "Wahrnehmungsverschiebung" bin ich direkt gestolpert, da mein Mann gerade im letzten Jahr versuchte, immer meine Wahrnehmung in Frage zu stellen, um sein Verhalten zu verteidigen, wenn ich stur geblieben bin und mich gewehrt habe. Ist solche "Gewalt" bewusst oder machen das solche Menschen, ohne es zu merken, weil sie nur daran denken, sich zu verteidigen? Wissen sie, wie ihr Verhalten sich für andere anfühlt?

Ich erkenne eine Ursache in meiner Familie ohne überlegen zu müssen sofort. Nur war das noch eine Nummer schlimmer, deswegen schien mir mein Mann daneben so "harmlos" und beinahe schon hilflos.
Ich muss sagen, ich komme mir ziemlich blöd vor,- nicht wegen der Antwort! - einfach, weil ich mir das habe bieten lassen. Ich habe schon öfter Momente gehabt, wo ich ähnlich wie Du beschrieben hast dachte, aber da sieht man wahrscheinlich das Problem,- ich habe das auch wieder ausblenden und meinen Mann vermissen können. Und das ist dann wohl die "desintegrierte Psyche".

Wirklich, vielen Dank für alles. Ich war bereits zu einem Beratungstermin angemeldet, nun bin ich sehr gespannt darauf. Ich werde mich aber auch im Internet noch mehr zu dem Thema schlau lesen. So ein mess.

Wenn jemand weitere Erfahrung mit dem Thema hat, ich bin sehr interessiert an Austausch!
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thinkingme ist offline  
Alt 03.07.2017, 20:59   #5
Lilly 22
 
Registriert seit: 05/2006
Ort: Alb Donau Kreis
Beiträge: 12.606
Hallo thinkingme,

ich sehe deine Geschichte, wie die eines Co-Abhängigen.
Ihr hattet lange Zeit beide eure Vorteile aus dieser des-
truktiven Beziehung für euch ziehen können und euch
gegenseitig davon abgehalten, aus dieser auszubrech-
en. Ich sehe weder dich, noch ihn als Opfer einer Liebe.

Natürlich pflegen Depressive eine sog. Pseudo-Demenz.
Je länger diese depressiven Phasen anhalten, um so
schwerwiegender mag diese sogar ausfallen.

In eurem speziellen Fall erscheint es mir allerdings sehr
befremdlich, wie man 16,5 Jahre lang in einer solchen
Beziehung -dazu ohne Not, z.B. wegen gemeinamer
Kinder- aushalten hat können. Das ist nicht als Vorwurf
gemeint, sondern eher im Lichte dessen, was dein Mann
dir wegen deiner eigenen Kindheit "unterstellt", denn
gesund ist dieses Ausharren sicher nicht.

Während dein Mann sich so benehmen durfte, weil du
ihm weder Grenzen gesetzt hast, noch gegangen bist,
hast du m.E. davon profitiert, ihm indirekt damit ver-
mitteln zu können, was für ein "Loser" er im Grunde
genommen ist und wie du wohl zurecht sagst, dass du
dir bei ihm vorkommen musst, als würdest du 3 Klein-
kinder versorgen. Damit hast du ihm indirekt ebenfalls
über Jahre ständig einen reingewürgt und ihm seine
Männlichkeit abgesprochen. Du magst das nicht als
Angriff auf seine Würde sehen, aber dennoch ist es
eben so. Denn, du hättest dich einfach von im trennen
können, wenn du es nicht selbst gebraucht hättest,
ihm stattdessen alles abzunehmen und ihm damit sei-
ne Unzulänglichkeiten vorzuführen.

Mag sein, dass er gerade auch deshalb gern "lauter"
geworden ist, um sich dadurch zumindest gefühlt sei-
ner Männlichkeit behaupten zu wollen und diese stän-
dig kleinen Attacken zu verarbeiten/ kompensieren.
Nur ist sein Festhalten an der für ihn ebenso ungesun-
den Beziehung vermutlich ebensolchen Defiziten ge-
schuldet, wie du diese selbst vorzuweisen hast. Wenn
dann noch seine Krankheit als Entschuldigung herhal-
ten soll, ist dieses Abhängigkeitsverhältnis einfach nur
"perfekt". Er kann ja nicht anders (dein Feedback) und
du kannst deshalb auch nicht anders, als ihm das im-
mer wieder vorzuführen und ihn damit gleichzeitig da-
rin zu halten. Genauso, wie du für ihn nur funktionierst,
so lange er in seiner Lage stecken bleibt.

Wo wären deine "Mutterinstinkte" sonst zum Fruchten
gekommen? Bei einem gesunden, selbstbewussten
Mann sicher nicht. Ein solcher hätte dir vermutlich eher
deine eigenen Baustellen gespiegelt und wär gegangen.
Zumindest hätte er dir aber dieses Gefühl des Gebraucht-
werdens kaum vermitteln können.

"Gesund" wäre es m.E. nach gewesen, zeitig das eigene
Verhalten zu ändern, sich ggf. professionelle Hilfe, gera-
de im Umgang mit einem depressiven Angehörigen zu
suchen, um nicht in Fallstricke zu geraten, wie diese bei
Suchtkranken u.a. ähnlich sind. Auch hier pflegt man u.a.
ständig ambivalente Gefühle: geh weg und bleib hier.

Ebenso wär eben eine gewisse konsequente Herangehens-
weise sicher sinnvoller gewesen, als dieses grenzenlos
bleiben und nur "reden" / "schimpfen".

Nach so vielen Jahren hast du die Hilflosig- und Vergess-
lichkeit deines Mannes mit heran gezüchtet. Ein Kind von
dir, wär unter den selben Bedingungen in all den Jahren
auch nicht anders geraten. Denn es muss so nicht lernen
Eigenverantwortung zu übernehmen, weil du dich dieser
selbst annimmst. Daraus resultiert am Ende auch eine
gewisse Erwartungshaltung und Respektlosigkeit demje-
nigen gegenüber, der das alles leistet und sich dafür
"aufopfert".

An deiner Stelle würde mich jetzt, nach so vielen Jahren
und dem nun erfolgten Umbruch eine Paartherapie schon
deshalb interessieren, um meine eigenen destruktiven
Muster in einer Beziehung besser erkennen zu können.
Da würde es mir nicht einmal darum gehen, die Bezie-
hung "retten" zu wollen. Aber gerade, wie du dich selbst
in der Interaktion mit deinem Mann erweist, wird so re-
lativ schnell und ehrlicher Aufschlüsse zulassen, als wenn
du diese (Einzeltherapie) aus subjektiven Empfinden her-
aus zunächst nur einseitig und dazu verfärbt schilderst,
es weitere Jahre dauern wird, hier den richtigen Faden
aufzunehmen.

Immerhin hast du nun, nach so vielen Jahren, eine Gren-
ze gesetzt, was gut ist. Denn selbst, wenn du irrtümlich
und unbewusst diese Interaktion mit deinem Mann selbst
mal dringend gebraucht hast, hast du nun erkannt, dass
du dir damit selbst keinen Gefallen tust und darunter lei-
dest, dich selbst verlierst.

Von daher mein Rat: nimm das Angebot an und lerne da-
bei zugleich, dich auch während dieser Therapie selbst
besser zu schützen und abzugrenzen. Nimm es nicht per-
sönlich, sondern schaue eher danach, wie du selbst funk-
tionierst, worauf du anspringst (was also deine Fallstricke
sind usw.) und sei somit nun mal eine Zeit lang der Beo-
bachter deiner Selbst. Dann kannst du viel daraus für dich
selbst und zukünftige Beziehungen lernen. Und, nimm es
deinem Mann nicht übel, dass er derzeit noch so funktio-
niert, wie es für ihn über Jahre lang bequem bzw. zumin-
dest gefühlt richtig gewesen ist. Er will da noch nicht her-
aus und wird deshalb versuchen mit dem Finger auf dich
zu zeigen. Aber, das ist sein Problem, nicht deins. Es ist
seine eigene Angelegenheit, sich seiner eigenen Baustel-
len bewusst werden und diese angehen zu wollen. Selbst,
wenn er "krank" ist, ist er eben eine erwachsener Mensch
und nicht das Kleinkind, dass du geglaubt hast, an deiner
Seite behüten und versorgen zu müssen. Für ihn wird sei-
ne Welt zusammen brechen, müsste er sich seinen Bau-
stellen nun mal sehens stellen und dabei die Ohnmacht
darüber empfinden, wo er sich jahrelang vor solchen Er-
kenntnissen hat schützen können. Das hat nichts mit dir
zu tun, selbst, wenn du ihm eine gewisse Vermeidung
ermöglicht hast.
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Lilly 22 ist offline  
Alt 04.07.2017, 03:19   #6
Time2bcool
abgemeldet
Wow @Lilly, chapeau!
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Time2bcool ist offline  
Alt 04.07.2017, 19:22   #7
thinkingme
abgemeldet
Themenstarter
-

Zitat:
Zitat von Lilly 22 Beitrag anzeigen
Hallo thinkingme,

ich sehe deine Geschichte, wie die eines Co-Abhängigen.
Ihr hattet lange Zeit beide eure Vorteile aus dieser des-
truktiven Beziehung für euch ziehen können und euch
gegenseitig davon abgehalten, aus dieser auszubrech-
en. Ich sehe weder dich, noch ihn als Opfer einer Liebe.

Natürlich pflegen Depressive eine sog. Pseudo-Demenz.
Je länger diese depressiven Phasen anhalten, um so
schwerwiegender mag diese sogar ausfallen.

In eurem speziellen Fall erscheint es mir allerdings sehr
befremdlich, wie man 16,5 Jahre lang in einer solchen
Beziehung -dazu ohne Not, z.B. wegen gemeinamer
Kinder- aushalten hat können. Das ist nicht als Vorwurf
gemeint, sondern eher im Lichte dessen, was dein Mann
dir wegen deiner eigenen Kindheit "unterstellt", denn
gesund ist dieses Ausharren sicher nicht.

Während dein Mann sich so benehmen durfte, weil du
ihm weder Grenzen gesetzt hast, noch gegangen bist,
hast du m.E. davon profitiert, ihm indirekt damit ver-
mitteln zu können, was für ein "Loser" er im Grunde
genommen ist und wie du wohl zurecht sagst, dass du
dir bei ihm vorkommen musst, als würdest du 3 Klein-
kinder versorgen. Damit hast du ihm indirekt ebenfalls
über Jahre ständig einen reingewürgt und ihm seine
Männlichkeit abgesprochen. Du magst das nicht als
Angriff auf seine Würde sehen, aber dennoch ist es
eben so. Denn, du hättest dich einfach von im trennen
können, wenn du es nicht selbst gebraucht hättest,
ihm stattdessen alles abzunehmen und ihm damit sei-
ne Unzulänglichkeiten vorzuführen.

Mag sein, dass er gerade auch deshalb gern "lauter"
geworden ist, um sich dadurch zumindest gefühlt sei-
ner Männlichkeit behaupten zu wollen und diese stän-
dig kleinen Attacken zu verarbeiten/ kompensieren.
Nur ist sein Festhalten an der für ihn ebenso ungesun-
den Beziehung vermutlich ebensolchen Defiziten ge-
schuldet, wie du diese selbst vorzuweisen hast. Wenn
dann noch seine Krankheit als Entschuldigung herhal-
ten soll, ist dieses Abhängigkeitsverhältnis einfach nur
"perfekt". Er kann ja nicht anders (dein Feedback) und
du kannst deshalb auch nicht anders, als ihm das im-
mer wieder vorzuführen und ihn damit gleichzeitig da-
rin zu halten. Genauso, wie du für ihn nur funktionierst,
so lange er in seiner Lage stecken bleibt.

Wo wären deine "Mutterinstinkte" sonst zum Fruchten
gekommen? Bei einem gesunden, selbstbewussten
Mann sicher nicht. Ein solcher hätte dir vermutlich eher
deine eigenen Baustellen gespiegelt und wär gegangen.
Zumindest hätte er dir aber dieses Gefühl des Gebraucht-
werdens kaum vermitteln können.

"Gesund" wäre es m.E. nach gewesen, zeitig das eigene
Verhalten zu ändern, sich ggf. professionelle Hilfe, gera-
de im Umgang mit einem depressiven Angehörigen zu
suchen, um nicht in Fallstricke zu geraten, wie diese bei
Suchtkranken u.a. ähnlich sind. Auch hier pflegt man u.a.
ständig ambivalente Gefühle: geh weg und bleib hier.

Ebenso wär eben eine gewisse konsequente Herangehens-
weise sicher sinnvoller gewesen, als dieses grenzenlos
bleiben und nur "reden" / "schimpfen".

Nach so vielen Jahren hast du die Hilflosig- und Vergess-
lichkeit deines Mannes mit heran gezüchtet. Ein Kind von
dir, wär unter den selben Bedingungen in all den Jahren
auch nicht anders geraten. Denn es muss so nicht lernen
Eigenverantwortung zu übernehmen, weil du dich dieser
selbst annimmst. Daraus resultiert am Ende auch eine
gewisse Erwartungshaltung und Respektlosigkeit demje-
nigen gegenüber, der das alles leistet und sich dafür
"aufopfert".

An deiner Stelle würde mich jetzt, nach so vielen Jahren
und dem nun erfolgten Umbruch eine Paartherapie schon
deshalb interessieren, um meine eigenen destruktiven
Muster in einer Beziehung besser erkennen zu können.
Da würde es mir nicht einmal darum gehen, die Bezie-
hung "retten" zu wollen. Aber gerade, wie du dich selbst
in der Interaktion mit deinem Mann erweist, wird so re-
lativ schnell und ehrlicher Aufschlüsse zulassen, als wenn
du diese (Einzeltherapie) aus subjektiven Empfinden her-
aus zunächst nur einseitig und dazu verfärbt schilderst,
es weitere Jahre dauern wird, hier den richtigen Faden
aufzunehmen.

Immerhin hast du nun, nach so vielen Jahren, eine Gren-
ze gesetzt, was gut ist. Denn selbst, wenn du irrtümlich
und unbewusst diese Interaktion mit deinem Mann selbst
mal dringend gebraucht hast, hast du nun erkannt, dass
du dir damit selbst keinen Gefallen tust und darunter lei-
dest, dich selbst verlierst.

Von daher mein Rat: nimm das Angebot an und lerne da-
bei zugleich, dich auch während dieser Therapie selbst
besser zu schützen und abzugrenzen. Nimm es nicht per-
sönlich, sondern schaue eher danach, wie du selbst funk-
tionierst, worauf du anspringst (was also deine Fallstricke
sind usw.) und sei somit nun mal eine Zeit lang der Beo-
bachter deiner Selbst. Dann kannst du viel daraus für dich
selbst und zukünftige Beziehungen lernen. Und, nimm es
deinem Mann nicht übel, dass er derzeit noch so funktio-
niert, wie es für ihn über Jahre lang bequem bzw. zumin-
dest gefühlt richtig gewesen ist. Er will da noch nicht her-
aus und wird deshalb versuchen mit dem Finger auf dich
zu zeigen. Aber, das ist sein Problem, nicht deins. Es ist
seine eigene Angelegenheit, sich seiner eigenen Baustel-
len bewusst werden und diese angehen zu wollen. Selbst,
wenn er "krank" ist, ist er eben eine erwachsener Mensch
und nicht das Kleinkind, dass du geglaubt hast, an deiner
Seite behüten und versorgen zu müssen. Für ihn wird sei-
ne Welt zusammen brechen, müsste er sich seinen Bau-
stellen nun mal sehens stellen und dabei die Ohnmacht
darüber empfinden, wo er sich jahrelang vor solchen Er-
kenntnissen hat schützen können. Das hat nichts mit dir
zu tun, selbst, wenn du ihm eine gewisse Vermeidung
ermöglicht hast.
Danke für Dein Feedback. Ich stimme teils zu, teilweise hake ich da aber ein, auch wenn Deine Version in ihrer Logik sehr gut funktioniert.

Ich habe schon vor einer Weile erkannt, dass ich selbst eine Art kontrollierendes und auch demütigendes Verhalten meinem Mann gegenüber an den Tag lege, wenn ich ihn immer wieder auf das hinweise, was mir fehlt. Deswegen habe ich in den letzten Jahren erfolgreich daran gearbeitet, dass nicht mehr zu wollen oder brauchen für mich, und umso mehr hat es mich angeödet.

Ich habe in konstruktiven Gesprächen meinem Mann die letzten 2,5 Jahre versucht, das zu erklären, ich habe mich entschuldigt für mein Verhalten und ihm gesagt, dass ich mir so eine Rollenverteilung in der Beziehung nicht wünsche.
Klar, ich hätte direkt gehen können anstatt zu warten und zu hoffen dass er, der mit mir in diesen Punkten einig schien, sich auch geschafft hätte, dahingehend zu ändern dass wir mehr Konsens gehabt hätten.
Es ist aber eher so, dass ich nun zum Schluss das Gefühl habe, er kann nicht aufhören, bestimmte Dinge auf mich zu projizieren und das Leben mit so jemandem ist unheimlich anstrengend. Deswegen habe ich mich zum Schluss auch getrennt. Wegen mir und weil ich nicht vorhatte, jemand anderem ständig seine "Fehler" vorzuhalten. Das ist seine Sache. Auch das habe ich ihm gesagt. Ich habe ihm gesagt, welche Dinge ich mir wünschen würde mit ihm zu klären oder zu verändern, und dass ich aber auch gehen würde, wenn das nicht möglich ist.

Wir waren übrigens im März schon einmal bei der Paarberatung. Mit dem Ergebnis, dass der Paarberater sich nach einer Weile meinen Mann "zur Seite" genommen hat um ihm zu erklären, wie gross die Rolle ist die ein gesprochenes Wort spielt und dass man mit dem was man sagt die Haltung gegenüber seines Partners ausdrückt.


Dazu muss ich noch schreiben, dass unsere Beziehung sehr wellenförmig verlaufen ist. Es gab oft lange gute Zeiten und dann lange schlechte. Das ein wenig zu meiner Verteidigung, aber ich denke, in Zukunft werde ich da viel vorsichtiger sein. Da einerseits mein Mann mir immer sehr kooperativ vorkam, ich andererseits aber mit einem sehr manipilativen, dominanten und emotional kranken Vater grossgeworden bin, habe ich die Grenzen und vor allem mein eigenes Toleranz-Spektrum nicht bis sehr spät erkannt.
Definitiv liegt also bei mir einiges im Argen. Aber nicht so, wie mein Mann auf meine Kindheit anspielt: Ich sei einfach zu anspruchsvoll und empfindlich ihm gegenüber. Sondern so, dass ich schlecht Grenzen umsetzen kann, wenn es mir zu viel wird, ich gebe dem anderen immer und immer wieder eine Chance, weil ich die Idee nicht ertragen kann, dass die Beziehung wirklich zu Bruch geht und unsicher bin, ob ich denn zu anspruchsvoll bin, sobald ich Gegenwind bekomme. Ich erkläre mir dann einen Wolf und das ist natürlich eine schlechte Dynamik. Dass dabei die Würde auf beiden Seiten auf der Stecke bleibt, dem stimme ich absolut zu.
Allerdings ist mir sehr wichtig, an dieser Stelle anzumerken, dass alleine die Tatsache, dem anderen zu sagen, Du bist wegen Deiner Kindheit so oder so, meiner Meinung nach viel zu weit geht. Das ist einfach grenzüberschreitend, egal wie richtig er damit liegt. Mir kann gern jemand sagen, was ihn an mir stört, aber das warum muss schon mein business bleiben. Ich hätte da auch einige Ideen, was meinen Mann betrifft. Die würde ich aber niemals wagen, ihm gegenüber argumentativ anzuwenden!

Zu Deinem 5. und 6. Absatz: Auch wenn Du klingst, als wärst Du Dir Deiner Sache da sehr sicher, bin ich nicht Deiner Meinung. Meine "Mutterinstinkte" waren kein Trieb, den ich irgendwo ausleben musste, sondern, so zeigt es sich mir, die einzige Streit-freie "Methode", die Lage scheinbar in den Griff zu bekommen. Ohne dem anderen ständig Vorwürfe zu machen o.ä.. Natürlich trotzdem nicht richtig oder schlau. Vor einem gesunden Mann hätte ich eher Angst und gleichzeitig Verlustangst gehabt, vermutlich. Und natürlich hätte mir dieser genau das gespiegelt. Ich möchte hier nur betonen, dass es wirklich nicht um Mutter-Instinkte geht. Ich habe mich in dieser Rolle nur so weit wohlgefühlt, als dass ich da Gefühl hatte, das einzig vermeintlich konstruktive zu tun. Ich kann nur sagen, ich wollte ihn nicht darin halten. Ich habe die letzten Jahre wirklich oft versucht, diese eingefahrene Situation zu ändern und ihm genau das klar zu machen. Ich wollte eine Augenhöhe mit ihm haben. Ich habe im praktischen versucht, diesen "Vergesslichkeit" beizukommen mit Verabredungen, damit, ihn jedes Mal zu fragen, ob auch er hiermit oder damit einverstanden ist, genau um nicht so dominant und korrigierend aufzutreten. Du siehst, dieser Punkt macht mich leicht sauer, da ich genau das nicht mehr wollte und lange schon schrecklich fand. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal davon profitiert habe. Aber ich glaube, es ist lange her. Meine wirkliche Schwäche ist denke ich, dass ich meinem eigenen Urteil oft nicht traue und immer Angst habe, dem anderen nicht genug Chancen gegeben zu haben, wenn er sich in meinen Augen nicht gut verhält, bevor ich endgültig meine Grenzen zeige. Ich habe meinem Mann zwar sehr wohl versucht, Grenzen zu zeigen, ich habe unzählige Male dazu angesetzt, mich verständlich zu machen,- und genau das war der Fehler. Als ich, wie oben beschrieben in den letzten 2 Jahren aufhörte, das zu tun, hatte mein Mann trotzdem keinerlei Einsicht in irgendwas. Es wurde eher schlimmer. Er wollte sich zwar immer mit mir vertragen, aber ich habe inhaltlich jedes Mal klein beigegeben. Ich hätte die Wahl gehabt, wieder auf ihn einzureden oder die Konsequenzen zu ziehen. Vor diesem Hintergrund hätte ich wohl vor 13 Jahren schon gehen können. Aber ich war zu hoffnungsvoll und zu unsicher, und ich habe meinen Mann blöderweise sehr, sehr geliebt.
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Geändert von thinkingme (04.07.2017 um 19:59 Uhr)
thinkingme ist offline  
Alt 04.07.2017, 20:36   #8
thinkingme
abgemeldet
Themenstarter
noch ein kurzer Nachsatz

Nach einigem Weiterdenken sind mir noch drei Dinge aufgefallen:

1. Die Mutterinstinkte. Ich hätte mir früher immer gewünscht, ich hätte meinem Vater helfen können. Obwohl er sich benommen hat wie ein A****. Ich denke, durch den Drang zu helfen erfüllt man als Jugendlicher mehrere Zwecke: Erstens rettet man den, von dem man abhängig ist. Zweitens scheint es einen Ausweg zu geben aus dem schrecklichen Verhalten dieses Menschen, das so offensichtlich seinem eigenen Unglück entspringt. Und drittens verharmlost man vor sich selbst auf perfide Art, was sich abspielt. Dass Dein eigener Elternteil, den Du liebst, sich verhält wie jemand, der Dich nicht liebt. Vielleicht, weil das sogar bedingt stimmt,- weil er nicht liebensfähig ist.

2. Ich habe die Vergesslichkeit meines Mannes glaube ich nicht "herangezüchtet". Als ich ihn kennenlernte, war er noch viel vergesslicher, er vergass regelmässig nicht nur Mahlzeiten und er wollte in ein Zimmer ohne Heizung ziehen, weil er vergessen hatte, mal nachzusehen, ob es eine gibt. Das nur als Beispiele.

3. Nicht alle Depressiven pflegen "natürlich" eine Pseudodemenz, das ist einfach nicht richtig. Ich bin seit einiger Zeit diesbezüglich ganz gut informiert und kann ehrlich gesagt die Depressionen meines Mannes nicht verbindlich einschätzen. Da sein Verhalten teils selektiv und teils völlig zufällig aufzutreten scheint, erlaube ich mir da kein Urteil mehr.
Beitragsmeldung
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thinkingme ist offline  
Alt 04.07.2017, 21:38   #9
Lilly 22
 
Registriert seit: 05/2006
Ort: Alb Donau Kreis
Beiträge: 12.606
Hallo thinkingme,

ich kenne mich sowohl mit Depressiven, als auch mit
Suchtkranken inzwischen ziemlich gut sogar aus. Ich
hatte nicht die Absicht, dich in eine Rechtfertigung zu
locken. Sondern eher, dir einen anderen Blick darauf
zu ermöglichen. Es geht auch nicht darum, um du be-
wusst bestimmte Interaktionen vollzogen hast, son-
dern darum, dass es dafür unbewusste Motive gibt,
wenn man sich selbst nicht schützt und das über so
lange Zeit. Egal, bin gerade auf dem Sprung, deshalb
nur kurz: lies dich bitte mal zu Co-Abhängigkeiten, ge-
rade bei Suchterkrankungen ein. Es sind nicht nur die-
selben "Rechtfertigungen", Hintergründe, sonder eben
auch da, die Unfähigkeit tatsächlich gesunde Grenzen
ziehen zu können und für sich selbst zu sorgen. Das
alles hat nichts mit bösen Absichten usw. zu tun, nur
ist das Ergebnis eben das selbe.

Geh mal in eine Beratung der anonymen Alkoholiker
z.B., also jener für Angehörige. Dir wird vermutlich
die Kinnlade runter fallen und du wirst dich selbst da-
rin erkennen, wenn andere über ihr Erlebtes berichten.
Traust du dich das nicht, gibt es dazu auch im Internet
genug Lektüre. Alles Gute.
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Lilly 22 ist offline  
Alt 04.07.2017, 22:06   #10
thinkingme
abgemeldet
Themenstarter
Hi Lilly,

danke für Deine schnelle Antwort. Ich habe mich so empfindlich getroffen gefühlt weil - ich denke, es ist in etwa so (Achtung, langer Text):

Mein Vater hat früher auf jede mögliche Art mich, und wenn das nicht ging, mein Horoskop (!!) für sein Verhalten verantwortlich gemacht. Gleichzeitig hatten wir ähnliche Interessen, er war diese "Jackyl & Hide"-Persönlichkeit, hatte also auch gute, sehr einfühlsame und charismatische Seiten. Er war recht distanzlos und davon überzeugt, mich besser zu kennen als irgendjemand auf der Welt, selbst ich selbst. Damit bin ich eben aufgewachsen. Ich habe ihn zwar mit 16 aus dem Haus geekelt, weil er verbal so erniedrigend war und ich unheimlich wütend wurde, aber darüber war ich geschockt,- ich hatte kindlich an das "Gute" in ihm geglaubt und gehofft, er würde sich der Familie zu liebe ändern, gehofft, sein "guter Teil" würde gewinnen.

Als ich meinen Mann kennen lernte, dachte ich, der wäre ganz anders als mein Vater. Wir hatten eine komische Beziehung. Wir waren uns sehr nah, hatten verschiedene und ähnliche Interessen, und ich glaubte, ich hätte keine Angst vor ihm. Er sprach von Anfang an viel davon, was für ein Loser er wäre, dass er nichts fühle, und war mal überzeugt, mich zu lieben, mal völlig indifferent. Und ich war von Anfang an nicht in der Lage zu sagen, nee, sowas mache ich nicht.
Das fatale und gleichzeitig schöne war: Wir waren uns darin einig, dass jeder von uns über sich wusste, dass er Probleme hat und glaubten immer mehr gemeinsam an eine gute Zukunft. Wir wollten an uns arbeiten. Jeder von uns fing (zu unterschiedlichen Zeiten) eine Therapie an. Denn wir hatten beide Probleme mit unserem Selbstwertgefühl, was wir jeweils im Studium merkten.
Ja, und das fatalste war, dass ich mich nie traute zu denken, vielleicht liegt es auch einfach an ihm, wenn ich finde dass er sich blöd verhält. Nein, ich dachte: Ich weiss, ich habe einen schwierigen Vater, also bin ich schwierig mit Männern, woraus folgt, dass wenn ich ein Problem habe, nicht der andere Mann Verantwortung hat, sondern ich selbst. Wir hatten trotzdem viele Auseinandersetzungen. In denen ich an meinen Mann hinredete und wir froh waren, wenn wir irgendwann, erschöpft, auf einen Nenner kamen. Der natürlich sehr bald wieder in Frage gestellt wurde, von meinem Mann. Weil der das ja nicht freiwillig tat. Ein paar Mal waren die Konflikte so schwer, dass ich sagte ok, wenn Du bei dieser Denk- und Verhaltensweise zu dem und dem bleibst, dann gehe ich. Da war ich dann auch bereit, zu gehen (darauf habe ich aber innerlich jeweils lange hingearbeitet). Und das waren immer die Punkte, an denen mein Mann ohne jede weitere Diskussion "klein beigab". Ich schreibe das mit einem gewissen Wiederwillen,- denn ich wollte wirklich nicht, dass er klein beigibt, um ihn zu "beherrschen",- er schien mich dann zu verstehen. Und das wünschte ich mir in den problematischen Punkten. Das war auch das einzige, was uns in meinen Augen in der Zukunft vor weiteren Konflikten darüber schützen konnte.
Dann ging es also immer wieder eine Weile besser. Wir wurden älter, und irgendwann hatten wir uns so oft miteinander auseinander gesetzt aber auch immer bessere Zeiten verbracht, dass ich unsere Beziehung das letzte Mal vor fast 6 Jahren in Frage gestellt habe. Und dann erst wieder letztes Jahr.
In sofern hast Du ganz sicher recht mit der Co-Abhängigkeit, mir kam das nur vorher so direkt vor. Als wolle mich jemand für mein Verhalten und das der anderen Person verantwortlich machen. Wovon ich denke, dass das nicht funktioniert, das könnte man ebenso umdrehen und es wäre genauso falsch.

Ich habe angefangen, mich im Internet umzusehen und finde folgende Seite toll:

http://drirene.com/codep_partners.htm


Für alle, die es noch so interessiert.

Danke für das Lesen meines langen Textes. Es tut mir leid, aber der Weg fällt mir ehrlich manchmal schwer. Ich vermisse meinen Mann, sobald ich Zweifel zulasse, schrecklich. Denn dann hoffe ich wie früher, dass wir doch beide gleich viel oder wenig verantwortlich sind für die Situation. Wenn ich das nicht tue, ist alles soweit ok.

So, nun wünsche ich allerseits einen schönen Abend erstmal. Merci nochmal!
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